Telefonkarten: Briefkarten der High-Tech-Ära

■ Post und Werbemarkt forcieren ein neues Hobby: Sammeln von abtelefonierten Telefonkarten / Etliche kosten schon 400 DM und mehr

Geduldig steht Paul Szylicki vor der Telefonzelle im Postamt an der Domsheide. Er wartet darauf, daß Geschäftsmann W. seine Gespräche beendet. „Haben Sie abtelefonierte Karten?“ Szylicki hat Glück: W. hat zwei Telefonkarten verbraucht, beide mit unterschiedlichen Motiven auf der Rückseite. Szylickis Sammlerherz schlägt schneller: Zwei neue Objekte ohne Investitionen.

Vor drei Monaten hat der 34jährige Bremer das neue Hobby entdeckt. Seitdem sammelt er Telefon-und Telekarten. „Ich sammle allerdings international, denn alle in der Bundesrepublik erschienenen kann man eh nicht mehr zusammenbekommen.“ Schneller als Aktien steigen Karten mit interessanten Werbemotiven in ihrem Wert. Die nur im Firmen -Dunstkreis erschienene Kraft-Karte für Philadelphia-Käse zum Beispiel ist auf dem Sammlermarkt selbst abtelefoniert bereits 475 Mark und mehr wert. Die 2.500 für die KSZE -Konferenz in Bonn als Geschenk für Konferenzteilnehmer hergestellten Karten hatten

Sammler bis in die Bundes hauptstadt gelockt. Besonders die schon historischen Karten aus der Testphase, die gar nicht erst zum Verkauf kamen, sind heiß begehrt.

Ein findiger Verlag, sonst auf Philatelisten spezialisiert, hat die neue Zielgruppe dieses „modernen Hobbys“ bereits entdeckt und den ersten Telefonkarten-Katalog für Deutschland herausgebracht. Seit zwei Wochen ist das 26 Mark teure Werk im Handel. „Damit ist der Markt jetzt erschlossen“, sagt Reinhard Besuch, Besitzer des Münzcabinets in der Bürgermeister Smidt-Straße. Auch er hat sich auf den Trend eingestellt, während andere Briefmarkenhändler ihn als „unseriös“ abwehren: Für Bremer Sammler ist sein Laden die Umschlag-und Infoadresse. Auch Paul Szylicki nutzt diese Börse. Zur Zeit liegt dort eine rosafarbene „ruf-doch-mal-an„-Karte für ihn bereit, Wert, obwohl ihre 20 Telefoneinheiten bereits vertelefoniert sind: DM 20. „Ich tausche aber auch mit Sammlern in Hannover“, erzählt er, „in

der Messestadt sind die Möglichkeiten einfach viel größer als hier.“

Die Post hat sich auf den Sammlertrend ebenfalls schon eingestellt: In Nürnberg hat sie gerade einen Telefonkarten -Versandservice eingerichtet. Die Deutsche Postreklame, die für das neue Werbemedium akquiriert (1.000 Visitenkarten in einer Farbe z.B. für 7.365 Mark) stellt für die Sammlerschaft auf eigene Kosten grundsätzlich 1.000 Exemplare mehr her. Kennummern auf der Vorderseite sagen dem Spezialisten u.a., wann und in welcher Auflage das Motiv in Umlauf kam.

Recyclebar sind die Plastikkärtchen mit ihren Chips für 20 oder 50 Einheiten zum bargeldlosen Telefonieren (normale Auflage: 50.000) bisher nicht. deshalb sollen zur Entsorgung der Karten entsprechende Behälter in den Telefonzellen aufgestellt werden. „Die werden aber kaum angenommen“, weiß Klaus Wendel (Oberpostdirketion) von den ersten Versuchen dieser Richtung. Die Kunden lassen sie eher

fallen. Etliche geben ihre abtelefonierten Karten aber auch in ihrem Postamt oder im Kundenberatungszentrum ab. Und da ste

hen häufig schon wieder die Sammler: „Ich habe noch keine einzige Karte zur Entsorgung weitergeleitet. Die Sammler grei

fen sie gleich wieder ab, kaum daß ich welche reinbekomme“, berichtet der Bremer Kundenberater.

Birgitt Rambalski