Stasi zum Fraß

■ Thomas Schmidt, Koordinator der Bürgerkomitees zur Auflösung der Stasi, sagte zur taz-Veröffentlichung:

Die Frage ist, ob überhaupt ein Handlungsbedarf für die Veröffentlichung der Stasi-Liste besteht. Alle Bürgerkomitees und Arbeitsstäbe in den Bezirken verfügen über diese Listen bezogen auf den Verantwortungsbereich der entsprechenden Bezirksverwaltung der ehemaligen Stasi. Kommunale Vertreter haben also über die Bürgerkomitees Zugang zu diesen Listen. Hätten die Bürgerkomitees die Veröffentlichung gefordert, dann hätten sie das auch regional auf die Beine stellen können. Dazu hätten sie nicht die taz gebraucht.

Es ist eine komplette Liste, die hier im Komitee erstellt wurde: Anhand der Liegenschaftendateien des ehemaligen MfS sind dann Stasiobjekte, die über Versorgungseinrichtungen des Ministerrates (VEM) nach außen legendiert waren, und die Führungsstellen erfaßt worden. Dazu kommen noch zwei Listen, die anhand der Objektdatei der „Linie 12“, des Archivs der Stasi-Zentrale erstellt wurden. Gerade bei diesen Listen haben wir große Bedenken. Erstens sind das unbewohnte konspirative Wohnungen, die inzwischen von der KWV vergeben worden sind, oder Wohnungen, die noch vor der Wende von der Stasi zwar an die Kommune zurückgegeben, aber die Eintragung in der Liste nicht getilgt wurden. In diesem Zusammenhang halte ich die Veröffentlichung von Hausnummer und Wohnungsnummmer für kriminell. Man müßte Sorge dafür tragen, daß die angegebenen Wohnungen nicht bewohnt sind. Der Umgang mit solchen Listen gehört in verantwortungsvolle Hände, kann nicht allen überlassen werden. So werden die Folgen unkontrollierbar.

(...) In Grenzorten, wo die Leute besonders unter der Stasi zu leiden hatten, da will man die Namen der informellen Mitarbeiter wissen, da geht es um soziale Ausgrenzung. Laß nur einen Fehler in der Liste sein, das ist durch kein Dementi wiedergutzumachen.

Die Veröffentlichung der Listen ist ein nicht wieder gut zu machender Schaden. Die Stasi wird uns zum Fraß vorgeworfen.