Bundesrat setzt i-Punkt auf Staatsvertrag

■ Niedersachsen und Saarland stimmen im Bundesrat dagegen / Länderkammer bekräftigt Erklärung zur Oder-Neiße-Linie / Im Bundestag waren außer zwei alle Grünen sowie 25 SPD-Abgeordnete dagegen

Bonn (afp) - Dem deutsch-deutschen Staatsvertrag steht nichts mehr im Wege: Nun hat gestern auch der Bundesrat den Vertrag mit großer Mehrheit angenommen. Dagegen stimmten lediglich die SPD-geführten Bundesländer Saarland und Niedersachsen. Damit kann die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion wie geplant am 1. Juli in Kraft treten. Einstimmig bekräftigte die Länderkammer die Entschließung zur Anerkennung der polnischen Westgrenze, die Bundestag und Volkskammer am Donnerstag verabschiedet hatten. Erstmals beteiligten sich auch die Vertreter Berlins an der Abstimmung.

Niedersachsen und das Saarland begründeten ihr Nein mit dem Verfahren der Bundesregierung und inhaltlichen Mängeln. Der neue Hannoveraner Regierungschef Gerhard Schröder bezeichnete es als „Zumutung“, daß die Bundesländer an der Vorbereitung des Staatsvertrages nur unzureichend beteiligt worden seien. Der Vereinigungsprozeß sei weitgehend über die Köpfe der Bürger hinweg betrieben worden, sagte der saarländische Finanzminister Hans Kasper (SPD). Lafontaine war nur im Geiste zugegen.

Sowohl Schröder als auch Kasper bekräftigten, daß ihr Nein zum Staatsvertrag keine Ablehnung der deutschen Einheit bedeute. Auch die übrigen SPD-geführten Bundesländer verbanden ihre Zustimmung zum Vertrag mit Kritik an seinem Inhalt und dem Verfahren der Bundesregierung. Berlin sage „kein jubelndes, sondern ein problembewußtes Ja“, erklärte der Regierende Bürgermeister Walter Momper (SPD). Der Staatsvertrag sei aber der einzige „jetzt noch gangbare Weg“. Schröder warf Bonn vor, aus den Fehlern der Vergangenheit offenbar nichts gelernt zu haben. Auch den Entwurf für einen zweiten Staatsvertrag müßten sich die Länder auf Umwegen besorgen.

Bundesfinanzminister Waigel (CSU) und Kanzleramtsminister Waigel wiesen die Vorwürfe zurück. Seiters sagte, das schnelle Tempo der Vereinigung sei von den DDR-Bürgern so gewollt. Jetzt müsse es „baldmöglichst“ zu gesamtdeutschen Wahlen kommen. Seiters zufolge soll die Abstimmung mit den Ländern über den zweiten Staatsvertrag in der nächsten Woche beginnen. Waigel räumte ein, daß bei der Beteiligung der Länder „noch das eine oder andere verbesserungsfähig“ sei.

Der baden-württembergische Ministerpräsident Lothar Späth (CDU) bezeichnete den Staatsvertrag als ein „geschichtliches Naturereignis, das nicht zu steuern ist“. Der bayrische Staatsminister der Finanzen, Gerold Tandler (CSU), meinte, Angst und Kleinmut seien jetzt nicht angebracht.

Bundestag und Volkskammer hatten den Staatsvertrag und die Erklärung zur Anerkennung der polnischen Westgrenze vorgestern mit großer Mehrheit gebilligt. Im Bundestag stimmten in namentlicher Abstimmung 445 von 506 Abgeordneten für den Staatsvertrag; alle Abgeordneten der Koalition sowie die Mehrheit der SPD. 60 Parlamentarier stimmten dagegen, bis auf zwei die gesamte Fraktion der Grünen sowie 25 SPD -Abgeordnete. In der DDR-Volkskammer sprachen sich mit Ausnahme der SED-Nachfolgepartei PDS und des Bündnis 90/Grüne alle Fraktionen für den Staatsvertrag aus. Am Freitag sodann begaben sich die Bundestagsabgeordneten ins Sommerloch.