Mangelnde Streitkultur

■ III nach Neun: Talkshow mit Schönhuber vor authentischer Demo-Kulisse

Wer sich den Teufel ins Haus holt, der muß den ätzenden Schwefelgestank auch ertragen können. Die Radio Bremen -Redaktion der N3-Talkshow III nach neun wollte am letzten Freitag durch die Einladung eines höchst umstrittenen Studiogastes für explosive Stimmung sorgen, doch als die Bombe platzte bzw. die Scheiben klirrten, bekam man kalte Füße. Und trotzdem war dieser Freitag abend eines jener sensationellen TV-Erlebnisse, die im Fernsehen fast immer nur aus Versehen passieren. Was war geschehen?

Das Moderatoren-Trio hatte den prominenten Rechtsaußen Franz Schönhuber zur Talkshow geladen, wohlwissend, daß das Proteste provozieren würde. Mit den empörten Bremer Autonomen und Antifa-Gruppen, die massive Demonstrationen gegen den Fernsehauftritt des ehemaligen SS -Wehrmachtsoffizier androhten, hatte man ausgehandelt, daß sie während der Talkshow auch zu Wort kommen dürften. Kameragerecht versammelte sich dann auch eine Gruppe von Demonstranten vor dem Talk-Pavillion, nur beließen sie es nicht beim braven Hochhalten von Transparenten, sondern bei Schönhubers Ankunft flogen Steine, schließlich, während drinnen geschäftsmäßig geplaudert wurde, ging die erste Scheibe zu Bruch. Kleiner Tumult, kurze Bildstörung. Die wütende Menge hatte ein Übertragungskabel gekappt, nachdem der Sender aus Angst vor weiteren Ausschreitungen die Polizei gerufen hatte. Und die hatte wohl ziemlich kräftig zugepackt, Hunde auf Demonstranten gehetzt und Tränengas geworfen. Als nun auch noch die ebenfalls geladene Opernsängerin Anja Silja entrüstet von dannen rauschte, weil der Sender offensichtlich nicht für die Sicherheit garantieren könne, und Schauspielerin Jutta Speidel einen hysterischen Anfall mimte, war es mit der Plauderruhe aus.

Aufgeregtes Durcheinanderreden. Soll man einfach weitermachen wie besprochen oder besser das Ganze abbrechen? Man blieb auf Sendung, aber die Regie versuchte mit überflüssigen Einspielungen und Musikeinlagen die Sache zu befrieden. Dabei hätte man jetzt Gelegenheit gehabt, die Themen Rechtsradikalismus, Gewalt und Widerstand am praktischen Beispiel zu diskutieren. Doch zu vollgepackt war das Podium mit kontroversen Gesprächspartnern, denen dann aber nicht die Zeit gegeben wurde, wirklich in den Diskurs zu treten. So blieb es dem altlinken Schriftsteller Gerhard Zwerenz überlassen, die Malaise deutscher Talkshows im öffentlich-rechtlichen Programm glasklar zu analysieren: „Jeder macht hier nur Werbung für seinen eigenen Kramladen.“ Er sei hergekommen, um sich mit Schönhuber ernsthaft auseinanderzusetzen. In Ansätzen war ihm das zwar noch gelungen. Doch die Regie, der es letztendlich doch nur um die gnadenlose Einhaltung des längst zerbrochenen Sendekonzepts ging, kappte auch diese spannende Auseinandersetzung mit dem unvermeidlichen Mundharmonikaplärrer.

utho