In Gabun bleibt vorerst alles beim alten

Noch konnte der Machthaber Bongo seinen Kopf retten, doch fragt sich, wie lange? / In dem schwarzafrikanischen Land bestimmt die französische Elf die Politik  ■  Von Bettina Kaps

Gabuns Präsident Omar Bongo hat es noch einmal geschafft: Seine Armee hält die Opposition in Schach. Das evakuierte Personal der französischen Erdölgesellschaft Elf ist vergangene Woche vollzählig nach Gabun zurückgekehrt. Die Ölförderung läuft wieder auf vollen Touren. Bongo kann wohl damit rechnen, daß er am 17.August noch Präsident sein und die Glückwünsche zur 30jährigen Unabhängigeit seines Landes entgegennehmen wird.

Niemand weiß jedoch, wie lange er sich tatsächlich noch hält. Angesteckt von den Revolutionen im Ostblock und den Unruhen in ihren Nachbarländern ist auch die Bevölkerung von Gabun offensichtlich nicht länger bereit, ihre korrupten und im Reichtum schwimmenden Machthaber zu tolerieren.

Im Januar kam es an der Universität der Hauptstadt Libreville und in verschiedenen Stadtvierteln zu Unruhen und blutigen Zusammenstößen zwischen der Bevölkerung und der Polizei, Hunderte von Menschen wurden verhaftet. Aus Protest traten Studenten und Lehrer in Streik. Die Regierung betonte, daß es bei der Einparteienherrschaft bleiben sollten und verhängte Ausnahmegesetze.

Doch Bongo konnte sich mit Verboten nicht mehr durchsetzen. Die Streiks weiteten sich aus. Vor allem in Port Gentil, dem Wirtschaftszentrum des Landes, häuften sich Demonstrationen und Plünderungen.

Um die Unruhen in den Griff zu bekommen, verhängte er eine Ausgangssperre über die Stadt. Gleichzeitig versuchte die Regierung, die Bevölkerung mit Nachgiebigkeit zu besänftigen: Am 19.April verkündete der Präsident die Einführung des Mehrparteiensystems. Kurz darauf bildete er eine Übergangsregierung, an der vier oppositionelle Vereinigungen beteiligt wurden; allerdings haben sie mit sechs Ministerämtern von 28 nicht viel zu sagen. Für September versprach Bongo freie Wahlen.

Am 23.Mai wurde der Generalsekretär der neu gegründeten Gabunesischen Fortschrittspartei (PGP), Joseph Rendjambe, in einem Hotelzimmer in Libreville tot aufgefunden. Rendjambe galt allgemein als sehr gemäßigter Oppositionspolitiker. Sein mysteriöser Tod wirkte wie Öl aufs Feuer. In Port Gentil, dem Heimatort von Rendjambe, herrschte einige Tage lang Anarchie. die Aufständischen stürzten sich auf alles, was Bongo repräsentiert; sie plünderten auch Geschäfte und errichteten Straßenbarrikaden.

Mehrere Stunden lang hielten sie den französischen Generalkonsul fest, um zu erreichen, daß Frankreich Bongo zum Rücktritt bewege. Da die französische Gesellschaft Elf vor der Küste von Port Gentil Öl fördert, lebten in der Stadt 2.500 Franzosen; knapp 20.000 waren es im ganzen Land. Auch sieben Mitarbeiter von Elf wurden kurze Zeit gefangengehalten. Marc Nan Nguema, Präsident der Vereinigten Front der Opposition und Vipepräsident der PGP, versicherte: „Die Opposition in Gabun ist absolut pro-französisch.“ Dennoch verließen im Verlauf der Unruhen 1.800 Franzosen, vor allem Frauen und Kinder, das Land.

Die gabunesische Regierung verhängte über Port Gentil den Belagerungszustand. Zusätzlich zur Armee schickte sie die Präsidentengarde in die Stadt, die mit gepanzerten Wagen, Hubschraubern und Tränengas Ruhe erzwang.

„Franzosen, sorgt dafür, daß Bongo geht“, lautete ein Schlachtruf der Demonstranten in Port Gentil. Frankreich reagierte sofort. Obwohl 600 französische Soldaten im Rahmen eines Sicherheitsabkommens ständig in Gabun stationiert sind, schickte Paris Verstärkung: 400 Fremdenlegionäre landeten in Port Gentil. Die Regierung Rocard beteuerte zwar, daß der Einsatz der Fallschrirmjäger ausschließlich zum Schutz der französischen Staatsbürger erfolgt sei. Verteidigungsminister Jean-Pierre Chevenement räumte später jedoch ein, daß die französischen Streitkräfte in Gabun „eindeutig eine stabilisierende Rolle gespielt haben“.

Gewiß war es ein politisches Signal, daß kurze Zeit nach dem Ausbruch der innenpolitischen Unruhen eine Transall mit Soldaten an Bord in Gabun landete. „Frankreich ist entschlossen, die Regierung Bongo zu unterstützen“, lautete die Schlagzeile, mit der die französische Zeitung 'Le Monde‘ die Entsendung der Fallschirmjägereinheiten meldete. Wie in alten Zeiten helfe Paris einer Regierung mit „Muskelkraft“ über ihre Schwierigkeiten hinweg, kommentierte das Blatt. Bongo sei allseits als korrupt und verschwenderisch bekannt; doch sei es wohl schwierig, ein System zu ändern, von dem die französichen Unternehmen reichlich profitierten.

An vorderster Stelle dieser französischen Unternehmen steht Elf; die Ölfördergesellschaft wird manchmal als „Staat im Staat“ bezeichnet. Elf-Gabun, eine Tochtergesellschaft des französischen Staatsunternehmens Elf-Aquitaine, sicherte sich frühzeitig Anteile am Reichtum des Landes: Schon sechs Jahre vor der Unabhängigkeit suchte Elf vor der westafrikanischen Küste nach Öl.

Heute gehört dem gabunesischen Staat nicht einmal ein Viertel des Unternehmens: Nach Angaben von Elf besitzt Gabun 23,85 Prozent, die Kapitalmehrheit von 56,5 Proznet hält Elf -Aquitaine, also Frankreich. Im vergangenen Jahr förderte Elf sechs Millionen Tonnen Rohöl in Gabun, das sind 60 Prozent der Gesamtproduktion des Landes. Damit ist Elf größter Ölproduzent in Gabun und gleichzeitig wichtigster Devisenbringer, Arbeitgeber und Steuerzahler.

Die Reaktion des Unternehmens auf die Krise hat in Frankreich Spekulationen ausgelöst. Die Gesellschaft reduzierte ihr Personal kurzfristig von 220 und 50 Personen. Zugleich drosselte sie die Ölförderung von 105.000 Barrel täglich auf das Minimum, das nötig ist, um die Ölquellen betriebsfähig zu halten. Elf informierte die Regierung in Libreville vorher nicht über seine Entscheidung, die es später mit der Sorge um die Sicherheit des Personals begründete.

'Le Monde‘ vermutete, daß Elf mit seiner Politik die Regierung Bongo destabilisieren und die Opposition unterstützen wollte, weil sich das Verhältnis zwischen den Geschäftspartnern in den letzten Jahren getrübt hat. Bongo hat nämlich neue Ölfördergesellschaften ins Land geholt. So wurde die englisch-niederländische Firma Shell Betreiber des großen Ölfeldes Rabi Kounga im Landesinneren, wo seit dem vergangenen Jahr täglich 120.000 Barrel Öl gefördert werden. Seither ist Shell zum größten Unternehmer in der Ölförderung des Landes avanciert. Elf hat jedoch nach eigenen Angaben noch immer die meisten Anteile am Ölgeschäft, da es - genau wie Shell - mit 42,5 Prozent an der Produktion von Rabi Kounga beteiligt ist.

Für die These, daß Elf während der Krise auf die Opposition gesetzt habe, wird noch ein weiteres Argument angeführt: Ein ehemaliger Vizedirektor von Elf-Gabun, Marc Nan Nguema, ist heute Vizepräsident der Oppositionspartei PGP. Elf weist solche Spekulaitonen zurück und betont, daß Nan Nguema bereits 1966 mit Einverständnis der Regierung Bongo in die Firma eintrat und seit sieben Jahren Erdölberater der Regierung ist.

Der plötzliche Produktionsstopp war ein Schock für Gabun. Bei einer Unterbrechung von zehn Tagen „ist unsere Wirtschaft am Boden“, warnte Informationsminister Jean Remi Pendy-Bouyiki. Bongo selbst drohte eines abends im französischen Fernsehen, er werde andere Ölgesellschaften ins Land holen, wenn Elf nicht schleunigst zurückkomme. Am Morgen darauf kündigte Elf die sofortige Produktionssteigerung an.

Möglicherweise wollte Elf seine Bedeutung für das Land wirksam demonstrieren. Im nächsten Jahr muß Gabun nämlich zu erkennen geben, mit wem es zusammenarbeiten will, denn dann laufen die Konzessionen aus. Zugleich hat Elf mit seinem Verhalten offengelassen, ob es nun lieber mit Bongo oder mit seinem Gegner kooperieren würde. Schließlich weiß heute niemand, ob Bongo 1991 noch an der Macht sein wird.