Heute im Modernes: John Martyn

■ Schwerblut-Grenzer

Er teilt das Los so vieler musikalischer Grenzgänger: Seit mehr als 20 Jahren von Kritikern und einem kleinen Fankreis hochgeschätzt, ja verehrt, gelang ihm nie der Durchbruch zu dem von der Popwelt hochgeschätzten breiten Publikum. Es war ihm nie wichtig.

Mit Qualitätsbewußtsein und ausgeprägter Risikobereitschaft hielt er sich die Durchschnittshörer vom Leibe, und seine Fans liebten ihn nicht zuletzt für seine Sprüche über „diese Typen, die auf die Bühne marschieren und kaum spielen können“ und „all diese Singles, die alle gleich klingen“. Seine exzellent produzierten, von der Zusammenarbeit mit Phil Collins oder dem „Pentangle„-Bassisten Danny Thompson geprägten LP's blieben Ladenhüter und seine Solokonzerte stets Geheimtips.

Seit langer Zeit unter meinen persönlichen Top Ten: John Martyns schwermütige, in ihrer musikalischen Schlichtheit kaum noch zu unterbietende Version des Traditionals „Spencer the Rover„; resignativ, zart, ein einsames Juwel unter den modernen Interpretationen britischer Folklore.

Schwermut und Selbstzweifel lasten wie eine bleigraue Wolkendecke über Martyns Werk. Nicht immer jedoch ist die Einfachheit sein Ding. Folk, Blues und jazzbewußte Interpretationen sind unterbrochen von Ausflügen in recht freie Gefilde; und seine riffbetonte Rock-Derbheit paart er mit sensiblen Brechungen. Diese Mischung ist es, mit der er sich immer zwischen alle Stühle des Massengeschmacks setzt.

Daß ihn das so kalt nicht läßt, zeigen seine neueren Veröffentlichungen. Die Zugeständnisse an die Wunderwelt der Popmusik darin sind unüberhörbar.

Heute abend ist er in Bremen erstmals mit Band zu hören. Ich hoffe, er hat seiner Vergangenheit nicht abgeschworen. Rainer Köste

20 Uhr, Modernes, Neustadtswall