Wieder nur neue Tips aus der feministischen Trickkiste?

■ Ein taz-Gespräch über den Vorschlag der beiden feministischen Autorinnen Cheryl Benard/ Edit Schlaffer in ihrem neuen Buch, die Männer „endlich in Ruhe“ zu lassen / Suchen Frauen trotzdem, wenn auch klammheimlich, immer noch und immer wieder den Mann ihres Lebens?

Über nichts redet es sich lieber und leichter als über Beziehungen. Dazu hat jede/r was zu sagen. Und viel zu schreiben. Auch in dem neuen Bestseller von Benard und Schlaffer geht es wieder um das alte Thema: „Laßt endlich die Männer in Ruhe“. taz-Redakteurin Petra Dubilski und taz -Mitarbeiter Elmar Kraushaar nehmen den Handschuh auf, den die beiden Autorinnen fallen ließen.

Elmar K.: Wie kommt es, daß Frauen - zum Beispiel Cheryl Benard und Edit Schlaffer - immer wieder so genau beschreiben können, wie die Beziehung zu einem Mann auszusehen hat, also immer wieder neue Direktiven dafür ausgeben, wie die Männer sein sollen?

Petra D.: Die Frauen meiner Generation haben sich aus der klassischen Frauenrolle befreit, sogar soweit, daß sie wieder selbstbewußt „Weib“ sein können, also auch nicht mehr ihre Erotik verleugnen müssen. Eine bestimmte Sorte von Männern dagegen war immer sehr folgsam. Vom Softi zum Macho haben sie sich hin und her bewegt, wie frau es wollte. Vielleicht sollte man es so sehen, daß Frauen in einem relativ kurzen Zeitraum so viel für sich entdeckt und dabei immer wieder auch versucht haben, sich die Männer passend zu machen, daß es jetzt für eine gewisse Zeit notwendig erscheinen mag, der Aufforderung von Benard/Schlaffer zu folgen. Das ist eine ganz gesunde Reaktion, sich auf sich selbst zu besinnen, auch um wieder Männer aus der Distanz betrachten zu können: Was sind das eigentlich für Wesen?

Aber diese Aufforderung der beiden ist doch nicht neu. Seit dem Buch „Der kleine Unterschied“ von Alice Schwarzer galt doch zumindest in frauenbewegten Kreisen die Losung: Auch der softe Mann ist keine Alternative. Der Feminismus wurde zur Theorie erklärt, der Lesbianismus zur Praxis. Das gab es doch als Reaktion auf Erkenntnisse der Art, die jetzt wieder in dem Buch neu aufgelegt werden, also einer genauen Analyse dessen, was Heterosexualität heute ausmacht, wie das Geschlechterverhältnis aussieht.

Das geschah damals in einem anderen Kontext. Zwanzig Jahre sind seitdem vergangen. Jetzt ist der Zeitpunkt für uns Frauen gekommen, wo wir die Möglichkeiten, die wir ausprobiert haben, resümieren und sehen, daß überhaupt nichts funktioniert. Der Mann ist nicht zu ändern, nicht von Frauenseite. Und daß Männer sich von selbst ändern werden, halte ich für einen Trugschluß.

Aber jetzt zu sagen: „Laßt die Männer in Ruhe“ ist doch nur wieder ein neuer Trick unter vielen, nicht einmal neu, nur wieder neu aufgewärmt. Ich war bei einer Lesung der beiden Autorinnen dabei und habe die Erwartung der vielen Zuhörerinnen erlebt und gesehen, wie Tips und Ratschläge erwartet wurden, damit frau das beschriebene Dilemma besser verwalten kann.

Noch mal zurück zu den einzelnen Stationen der feministischen Frauenbewegung: Da gab es zunächst den radikalen Bruch mit den Männer; Frauen versuchten es ausschließlich miteinander. Dabei sind einige geblieben, aber viele wandten sich wieder den Männern zu, der Softi war geboren. Und es gab ja auch ein paar Männergruppen, und Männerliteratur, sogar von Männern geschrieben, dafür zu 80 Prozent von Frauen gekauft. Schließlich wurde die Mutterschaft entdeckt, Kinder geboren, um die Beziehung aufrechtzuerhalten oder zu kitten. Und nach alldem sitzen die Frauen heute wieder da und sagen: Es ist immer noch das Gleiche.

Sie können zwar sehr viel differenzierter darüber nachdenken, und das Dilemma sehr viel genauer beschreiben, aber dadurch wird's nicht besser. Zwei Fremde, Mann und Frau stehen sich gegenüber und fragen sich: Was müssen wir noch alles ausprobieren, damit es endlich funktioniert? Da kommt dann aus der Benard/Schlaffer-Küche einfach ein weiteres Rezept hinzu. Das endet in diesem Buch mit Tips wie aus der „Bäckerblume“: Geht mal mit den Jungens ins Kino oder mal nett essen. Ansonsten: macht Karriere und beschäftigt euch mit euch selbst, oder engagiert euch politisch. Dazu fällt mir nur noch ein Loriot-Sketch ein, wo der Frau empfohlen wird, doch endlich mal an sich selbst zu denken und einen Jodelkurs in der Volkshochschule zu besuchen.

Ich finde die Aufforderung des Buches als Krücke durchaus legitim. Die vielen feministischen Analysen will ich nicht mehr lesen. Die bringen mir für die Praxis überhaupt nichts, wenn ich als selbstbewußte, berufstätige, eigenwillige Person einem hübschen Kerl begegne, und ich bin hin und weg und verliebt. Daß daraus Leid folgt, das ist eine andere Geschichte. Leid kommt ja nur dann, wenn du dir falsche Erwartungen machst. Dazu lese ich in dem Buch zwischen den Zeilen: Macht euch doch nicht bestimmte Erwartungen, daß Männer so und so sollten. Es gibt eben bestimmte Bedürfnisse, die Männer nicht befriedigen können, was nicht unbedingt an den Männern liegen muß.

Wenn ich in diesem Buch lese, steigen Erinnerungen hoch und mir kommt ganz plastisch zu Bewußtsein, wo die Probleme liegen. Und wenn dann diese Tips kommen - a la „Bäckerblume“, wie Du sagst - dann antworte ich darauf: Das kann notwendig sein, notwendiger als dieser ganze theoretische Überbau.

Du sprichst vom Verliebtsein, das nun mal so passiert. Aber Liebe ist doch keine Himmelsmacht, die fern jedweder Erfahrung, die man gesammelt hat, als Urtrieb oder Urkraft beständig vor sich hin wabert. Welchen Wert und Sinn haben denn Erfahrungen? Doch wohl den, daß sich in mir tatsächlich etwas neu umsetzt und nicht mehr so pur wie in der Pubertät daherkommt.

Um Erfahrungen resümieren zu können, muß man zunächst einmal überhaupt welche gemacht haben. Und jenes Hochgefühl des Verliebtseins kann doch durchaus beibehalten werden. Das Bewußtsein, daß dieses Gefühl ein vorübergehendes ist, kannst du doch nur haben, wenn du dich bereits einige Male verliebt und damit Erfahrungen gesammelt hast. Das mag vielleicht in unserer Generation und Umgebung normal, muß aber nicht die Regel sein - gibt es doch ganz viele Frauen, die in ihrem ganzen Leben nicht mehr als vielleicht zwei oder dreimal verliebt waren.

Aber gelesen wird das Buch doch vor allem von Frauen Deines Genres.

Klar, und das sind sicher auch viele Frauen, die ohne feste Beziehung leben, die sich nicht sicher sind, was sie von einem Mann erwarten können. Die kaufen natürlich so ein Buch mit einem solchen Titel, der ja ein Witz ist und zuläßt, über etwas zu lachen, was eigentlich gar nicht zum Lachen ist. Frustige Beziehungserfahrungen sind zwar nicht zum Lachen, aber unter einem solchen Titel gebracht, kann das Lachen befreiend sein. Möglicherweise liest frau aber auch noch darin, weil sie klammheimlich immer noch den tollen Mann sucht. Wer das für sich akzeptiert, ist schon schon einen Schritt weiter. Auch ich mag diese Wunschvorstellung nicht aufgeben. Jeder Mann, in den ich mich gerade verliebe, ist der Mann meines Lebens. Nächste Woche ist es vielleicht ein anderer.

Warum kleben alle Frauen immer wieder daran, daß der, den sie gerade haben, der, an dem sie gerade arbeiten, warum just dieser Mann die Ausnahme ist? Er soll die Ausnahme sein von dem Wissen, das sie eigentlich über alle Männer haben. Der Traummann eben. Mir scheint, daß Frauen immer damit leben, gerade die Ausnahme zu haben oder die Ausnahme noch zu finden. Welche Belastungsprobe stellt das für den Mann dar, wenn er sich ständig als die Ausnahme betrachtet sieht? Gerade diesen Einen soll man herausheben können aus der ansonsten vernichtenden Analyse von Männern?

Einem solchen Druck kann doch kein Mann standhalten. Die Ausnahme gibt es nicht. Die gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen Männer zu Männern werden, sind doch für alle gleich. Es ist falsch, immer wieder diesen Gedanken von der Ausnahme zu kultivieren. Denn das verhindert von vornherein, die Tatsache anzuerkennen, daß Männer und Frauen einander grundsätzlich fremd sind.

An dieser Stelle kann ich etwas dazu sagen, warum ich mir als schwuler Mann, der überhaupt nicht daran denkt, sein Leben mit Frauen zu teilen, hier anmaße, dazu etwas zu sagen. Trotz meiner Entscheidung verschwende ich meine Gedanken an eine Utopie, daß Männer dereinst durchaus gleichberechtigt mit Frauen leben können. Daß die Fremdheit der Geschlechter untereinander, wenn sie denn mal gesehen und auch positiv begriffen wird, durchaus zu einem Zustand führen kann, der ein Zusammenleben von Gleichen miteinander möglich macht. Würde man diesen utopischen Gedanken mal als solchen nehmen und für sich akzeptieren, vielleicht könnte das einiges von dem, was man real erlebt, wieder relativieren.

Was mir jetzt auffällt, ist, daß Du auch keine Ausnahme bist, auch wenn Du ein schwuler Mann bist. Ich bin gerade Deinem Argumentationsstil und Deinen Inhalten sehr genau gefolgt und muß feststellen, daß Du auf die Theorie ausgewichen bist und von Utopien redest - ganz schön kopflastig. So kann nur ein Mann reden. Wir gehen wohl von ganz verschiedenen Punkten aus, ich als Frau und Du als Mann. Mich interessiert: Wie gehe ich hier und jetzt mit einem Kerl um? Was habe ich für konkrete Erfahrungen? Du erzählst von Utopien, Gedanken, Ideen. Hätten wir jetzt eine Beziehung miteinander und würden so darüber diskutieren, hätte ich Lust, handgreiflich werden.

Natürlich bin ich natürlich keine Ausnahme. Warum auch? Aber wenn ich von Utopien rede, meine ich nicht, daß man sich nicht um die Realität kümmern soll. Ich will nur daraufhin weisen, daß man einmal den Gedanken faßt, sich von solch einer utopischen Idee leiten zu lassen. Das hätte doch wieder Auswirkungen auf die alltägliche Praxis.

Einverstanden. Wenn man sich eine bestimmte Vorstellung von etwas macht und dieser Vorstellung folgt, kann man ihr auch schrittchenweise näherkommen. Nur, die Crux mit den großen Entwürfen ist doch, daß du einem Ideal hinterherhinkst und dabei Gefahr läufst, dich zu vergewaltigen. Ich will jetzt und hier in Übereinstimmung mit meinen Gefühlen leben. Natürlich soll mein Kopf auch dafür sorgen, daß meine Gefühle ab und an mal wieder geradegerückt werden, aber sie sollen nicht einfach übergangen werden.

Noch einmal zurück zu den Männern: Ich habe den Eindruck, daß Männer überhaupt nicht das gleiche Interesse an Veränderung haben wie Frauen. Männer leben ihre Beziehungen mit Erwartungen, die sich scheinbar ziemlich genau beschreiben lassen: Die Mutter will man haben, die für bestimmte Anteile des Lebens verantwortlich ist, und dann die Frau fürs Sexuelle. Die vielen anderen Bedürfnisse, die es noch gibt, richten sich an andere Männer, an den Job etc. Aus dieser doch recht mageren Beschreibung von dem, was Männer von Frauen wollen, scheint sich auch abzuleiten, daß Männer sich nicht so viel den Kopf darüber zerbrechen, wie ihr Verhältnis zu Frauen sich wirklich grundlegend verändern kann.

Da scheint auch ein Unterschied zwischen Mann und Frau zu bestehen. Wenn Frauen beschreiben, was sie von den Männern erwarten, dann kommt da doch eine ganze Menge mehr zusammen. Sie haben mehr Wünsche und Bedürfnisse und sind sehr viel mehr auch damit beschäftigt. Gehen wir noch einmal zu dem zurück, was man Frauen- und Männerliteratur nennt. Da haben Frauen doch unvergleichlich mehr gedacht und geschrieben. Der magere Rest an „Männerliteratur“ wurde vorwiegend als Reaktion auf die Forderungen von Frauen verfaßt. Da steht dann auch nichts weiter drin als: Guckt her, das haben wir schon alles gemacht. Klein-Bubi legt der Mutti die Hausaufgaben vor. Wenn die Aufgaben gut erledigt wurden, soll die Frau den Mann wieder annehmen. Damit hat es sich. All das übrige, was noch die Idendität des Mannes ausmacht, kommt aus ganz anderen Ecken. Die Idendität der Frau scheint mir dagegen viel mehr vom Mann abhängig zu sein als umgekehrt.

Frau muß wohl akzeptieren, daß Männer so sind, wie sie sind. Nur - bis man zu dem Punkt kommt, das zu akzeptieren, dauert es eine Weile. Vielleicht kann man den Titel des Buches so übersetzen: Akzeptiert die Distanz, die Fremdheit zum Mann. Laßt sie in Ruhe und versucht nicht ständig, sie zu euch hin zu ziehen. Eine Reihe von Problemen, die zwischen den Geschlechtern auftauchen, liegen auch an der Institution Zweierbeziehung. Sollte man also die Zweierbeziehung aufheben?

Um Gottes Willen, eine solche Forderung würde ich niemals vertreten. Ich bin ein strenger Verfechter dieser Lebensform.

Aber wenn wir in dieser Logik so weiter überlegen, müßten wir doch zwangsläufig dafür plädieren. In dieser Institutuion Zweierbeziehung, sei es Ehe, Partnerschaft oder schlicht Beziehungskiste, findet diese Überprojektion ja statt. Alles, was bleibt, ist noch eine Machtfrage: Wer ist unten und wer oben?

Es geht doch wohl hoffentlich nicht nur um Macht in Beziehungen. Es geht doch auch um Vertrautheit, Nähe, um Anteilnahme, um Respekt. Alles ganz natürliche Bedürfnisse, die jeder hat und jeder leben möchte. Aufgrund dieser Bedürfnisse kommt es zwangsläufig zu Projektionen, zu Überforderungen. Man muß sich doch diesen Prozeß, in dem man gemeinsam sitzt, immer wieder bewußt machen und auch immer wieder in Distanz dazu zu treten, in ständiger Auseinandersetzung mit sich und dem anderen. Das macht man doch in anderen Lebensbereichen auch, man beteiligt sich aktiv und läßt sich nicht einfach für den Rest seines Lebens irgendwo reinplumpsen.

Aber da liegt genau das Elend: Frauen leisten diese Arbeit viel häufiger als Männer.

Doch wenn du als Frau so an einen Mann rangehst, muß du wissen, daß du auf einen Unterlegen triffst. Was das Nachdenken über Beziehungen angeht, sind Männer im Stadium von Kleinkindern verblieben, die immer nur grapschen und alles haben wollen, aber nicht reflektieren. Und die Gesellschaft hat sich mit den Kleinkindinteressen der Männer eingerichtet.

Die Gesellschaft, das sind doch wir. Das ist kein übergeordneter Moloch, der uns zwingt, dies oder jenes zu tun. Gegen diesen Zwang kann man ja was unternehmen.