Düfte provozieren, Brillen zuwenig

■ Eine wohlriechende Eyewear-Präsentation mit Fensterglas-Brillen, Schauschminken und Salzmandeln

Die Attraktion war nur im Geiste erschienen. Jil Sander, berühmte Inhaberin eines Hamburger Mode- und Kosmetikkonzerns, hatte ihr Markenzeichen gesandt, das überlebensgroße Foto ihres Gesichts. So muß sich das Interesse bei der „Jil Sander Eyewear-Vernissage“, ersatzweise auf die Brillenkollektion richten, deren Fenstergläser den magischen Namen tragen dürfen, auf den versprochenen Champagner (der sich als ordinärer Sekt entpuppt) und die Salzmandeln, auf die Düfte aus den massiven Zerstäu

berflaschen und auf die aktuelle Schminkpalette.

Gekommen war ein raumfüllendes, reichgeschmücktes und opulent duftendes Publikum. Sorgfältig präparierte Gesichtshäute, sauber gepeelt, die Falten verspachtelt, mit fond de teint grundiert, die Augen in leichten Graublau -Schattierungen abgesetzt, der Mund mit einem spitzen Farbtupfer betont, die Wangen rougiert und das Ganze mit einem fein sonnenbraun mattierenden Finish versiegelt. Da prasseln die „Ach, wie aparts“ durch den

Raum, die kleinen Finger spreizen sich vom Glase und gedankenverloren wiegt man den Duft der Nachbarin in der Nase.

Als Herr hat mann es schwer hier. Hoffnungslos in der Unterzahl, gehört Durchhaltevermögen dazu, die Duftberaterin zu konsultieren. Schafft mann es endlich, prescht eine pralle Dame dazwischen. „Darf man eigentlich auch einen provozierenden Duft tragen, oder muß ich immer tragen, was zu meinem Typ paßt?“ Ich verstehe gar nichts, bin aber abgedrängt für fünf Mi

nuten oder zehn. „Versuchen sie doch mal dies.“ Eine Wolke aus der Sprayflasche, gezielt auf das dralle Handgelenk, das beginnt, in sanftem Schwung zu kreisen, damit der Duft schneller trockne und dufte. „Nummer 3“, sagt die Parfümistin und die Kundin nickt verzückt. „Ja, Nummer 3, wie apart“, das Handgelenk wedelt immer noch. Aber Nummer 2 ist auch nicht ohne, (das Handgelenk schwingt) und nachdem die Fach-Dame der Kundin-Dame auch noch Nummer 1 zur Erinnerung auf ein Duft-Kärtchen gesprüht hat, ist endlich der Herr an der Reihe. Die Duft-Dame wählt für mich ein dosiert frisches, aber doch leicht blumiges Aroma, ein Handgelenk regt sich, wird zur Nase geführt. Die Dame ist Profi: Sie sieht dem Herrn ins Auge und schon sagt ihr ihre Intuition, welcher Duft paßt. In meinem Fall eben nicht der ganz kühl-herbe Duft, der grün aus der Flasche schimmert, dazu sei meine Jacke zu gelb, und auch nicht der schon fast feminine, blumige, dazu ist die Hose zu schwarz.

Hinter der Duft-Dame erhebt sich ein Podest, eine kleine Bühne, auf der sich eine zagende Kundin-Dame von der Kosmetik-Dame vorsichtig die Nase pudern und die Augenlider verfärben läßt. Hier wiederholt sich, dutzende Male mit neuer Besetzung, das größte Schauspiel des

Abends: Eine sitzt auf dem Stuhl, ausgeliefert den Einschätzungen und Handgriffen einer anderen. Mit großen Augen schaut sie zu ihr auf, folgt mit dem Rücken deren Anweisungen, taxiert die kleinen Farbtöpfchen auf der riesigen Palette und fügt sich in das fachkundige Urteil, welcher Schatten unter der Augen typgerecht sei. Und das Publikum tut beiläufig interessiert, kann sich aber nur mit Mühe den Applaus verkneifen, den ein solch spannendes Schauspiel verdient.

Bleibt als Attraktion noch die Sandersche Brillen -Collection, von der Design-Abteilung eines Automobil -Herstellers entworfen, von der Chefin kurz abgesegnet und anschließend mit Fenstergläsern ausgestattet, die ihren preistreibenden Namen tragen. Man soll nicht auf den Preis schauen, (zwischen 350 und 700 Mark) rät der Optiker-Herr, und typgerecht seien bei mir eher andere Collectionen (wegen der Hose und der Jacke). Die Brille soll, sagt er, mit der Augenbrauenlinie harmonieren. Und der Trend gehe zu Brillengestellen in dunkleren, natürlichen Farben wie Lila, aber Lila sei fast schon wieder vorbei. Hier drängen sich die Damen und Herren, reißen sich die Handspiegel aus den Händen, und aus seiner fernen Ecke beobachtet es der Optiker mit Wohlgefallen.

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