Fußball regiert den Gipfel

■ Hinter den Kulissen des Sitzungssaals feierte die schreibende Zunft den Sieg der irischen WM-Mannschaft

Gipfelkonferenzen sind für Journalisten ein Horror. Die meiste Zeit verbringen sie mit Warten auf Informationsbrocken, die ihnen in unbestimmten Abständen von den Pressesprechern der zwölf Regierungen hingeworfen werden. Am Montag nachmittag drehten die Presseleute den Spieß jedoch um. Damit es ihnen nicht langweilig werde, hatte die irische Regierung ein tausend Quadratmeter großes Zelt mit Bar und Buffet neben das Pressezentrum gestellt. Fatalerweise war an der Stirnseite des Zeltes ein Fernseher mit Großbildschirm aufgebaut worden, der dazu dienen sollte, die essenden (und trinkenden) Journalisten über den neuesten Stand der Gipfelkonferenz zu informieren. Ein findiger Reporter hatte jedoch die Empfangsfrequenz verstellt. So herrschte ab 16 Uhr gähnende Leere im irischen Presseraum. Die Journalisten waren allesamt ins Bierzelt gezogen: Das irische Fußballteam spielte gegen Rumänien um den Einzug ins Viertelfinale der Weltmeisterschaft.

Während im Sitzungssaal noch die Überwindung nationalstaatlichen Denkens debattiert wurde, feierte der Nationalismus im Zelt fröhliche Urständ. Links vom Fernseher wehte inzwischen die irische Fahne, rechts davon saß ein überdimensionaler Teddy in den irischen Farben. Als der irische Pressesprecher zu einer kurzen Pressekonferenz bat, erntete er nur höhnisches Gelächter. Verschiedene Journalisten hatten sich flugs umgezogen und saßen nun in grünen Trikots gebannt vor dem Bildschirm. Die Atmosphäre im Pressezelt unterschied sich durch nichts von einer normalen Dubliner Kneipe. Schließlich wurde auch die ausländische Presse von den Anfeuerungsrufen angelockt, die aus dem Zelt bis ins Pressezentrum drangen. Beim entscheidenden Elfmeterschießen hatten sich zwölf Kamerateams neben dem Fernseher aufgebaut, um die irischen Gipfel-Berichterstatter zu filmen, die völlig aus dem Häuschen waren. Margaret Thatcher gratulierte ihrem Kollegen Charles Haughey nach dem Abpfiff zum Sieg „seines Teams“. Beim Fernsehinterview mit dem EG-Vorsitzenden Haughey am Abend ging es dann auch weniger um den Gipfel als vielmehr um den „historischen Sieg“ auf dem Fußballplatz.

raso