Umweltpolitik in Zeitlupe

■ Die Ozonkonferenz in London ging mit einem „Kompromiß“ zu Ende

Um die Ozonschicht der Erde ist es schlecht bestellt. Die Zukunft des Ozonlochs über der Antarktis in den nächsten 100 Jahren ist gesichert. Aber auch in den mittleren - das heißt: bewohnten - Breiten der Nord- und Südhalbklugel nimmt die Ozonkonzentration mit rasanter Geschwindigkeit ab. Und jedes Jahr verbreiten die Wissenschaftler neue deprimierende Botschaften. Trotzdem war die Londoner Konferenz nicht bereit, ein schnelles und weltweites Verbot ozongefährdender Stoffe durchzusetzen. Noch immer dominiert der Protektionismus nationaler Industrien, noch immer werden Maßnahmen nur ergriffen, wenn sie niemandem mehr weh tun. Dabei handelt es sich hier um einen der seltenen Fälle, bei denen die Ursachen eines Umweltschadens klar feststehen. Zudem wird durch einen Ausstieg aus der FCKW-Wirtschaft kein Land, keine Industrie und keine Verbrauchergruppe hart oder gar existenzbedrohend getroffen. Ein schneller Ausstieg wäre machbar und finanzierbar und dies sogar ohne größere Änderungen der Lebensgewohnheiten.

Die Politik hat auf die alarmierenden wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Zerstörung der Ozonschicht mit einer Epidemie von Konferenzen reagiert. Als 1985 die Wiener Konvention abgeschlossen wurde, war bereits klar, daß ihr ein Protokoll mit Kontrollmaßnahmen für die Produktion und Anwendung von Ozonkillern folgen mußte. Unmittelbar nach dem Abschluß des Montrealer Protokolls (1987) und lange vor seinem Inkrafttreten (1989) bestand kein Zweifel, daß die darin enthaltenen Maßnahmen die Ozonschicht nicht würden retten können und längst überholt waren. Und schon jetzt ist eine Überprüfung der aktuell beschlossenen Verschärfung des Protokolls durch die Londoner Konferenz für 1992 vorgesehen. Die Politik hechelt der Realität hinterher. Das gilt auch für die Produktpalette: Zwei wichtige Stoffgruppen, die neuentwickelten Halone und die von der Industrie als Ersatzstoffe für FCKW gepriesenen teilhalogenierten Stoffe, blieben in London ausgeklammert. Eine Ozonkonferenz produziert die nächste. Politik in Zeitlupe als Abfolge von Zugeständnissen in winzigen Schritten. Und dabei wären Siebenmeilenstiefel notwendig.

Ein erheblicher Fortschritt im Kampf um die Ozonschicht dürfte allerdings die in London erreichte Einbindung der Dritten Welt sein. Sie hatte bislang zwar kaum Anteil am wachsenden Ozonloch. Aber allein die Grundversorgung jedes Haushaltes in China und Indien mit einem herkömmlichen Kühlschrank würde die Vervielfachung der FCKW-Produktion dieser Länder bedeuten. Deshalb ist die Nord-Süd-Kooperation ein Muß.

Thomas Gehring