Heute im Radio: „Tecumseh“, Hörspiel

■ Glashaus hören

Am Anfang der Wind in der Prärie: Tecumseh, der Indianerhäuptling. Er erzählt vom „Gesumm der Todesboten“, von den Weißen. Auch Markus fühlt in der „gläsernen Ruhe“, die sein Zuhause umgibt, das Gesumm der Todesboten.

Markus mag so zehn, elf Jahre alt sein. Er ist im Garten; distanziert, in einer etwas altklugen Sprache, beschreibt er, wie sich, beinahe unbemerkt, das Unkraut ausbreitet. Der Garten ist das Spiegelbild des Zerfalls seiner kindlichen Geborgenheit. Der Vater hat den Garten gepflegt, nun liegt er schon seit längerem im Krankenhaus, todkrank.

Das Hörspiel „Tecumseh“ von Adolf Schröder (Regie: Bernd Lau) erzählt den Zerfall einer Familie: die Mutter wird lethargisch, die Schwester hysterisch, nur die Brüder Hans und Benny scheinen seltsam unberührt. Vom Garten aus schaut Markus auf die Familie in der Laube: der Vater kommt noch einmal zu Besuch. Markus beschreibt den Sterbenden: kühl fast, sachlich, ohne eine Spur von Larmoyanz und Selbstmitleid. Gerade dadurch spürt man, wie sehr den Jungen seine Gefühle bedrängen. Er kann nicht bezwingen, was ihn ver- und am Ende zerstört.

Der Vater stirbt. Auf seiner Beerdigung kann Markus nicht weinen, erst Tage später, als er sein Kaninchen begräbt. Zu den Todes-Hörbildern aber plötzlich, nicht minder verwirrend, eine ganz andere Empfindung: erste Erektionen; die Lust, zu berühren, berührt zu werden. Aber die Einsamkeit bleibt, verschärft sich. Markus flieht in die Lektüre, er verschlingt die Geschichte des Schoschonenhäuptlings Tecumseh. Der Häuptling wird zu seinem alter ego. Aber Tecumseh konnte nicht sein Volk und kann auch Markus nicht retten. Markus läßt sich von seinen Todesbildern treiben, durch die Stadt - es ist Bremen -, zum Dom, über die Weser, den Fluß hinauf bis zu den Wirbeln des Weserwehrs, das es in der Erinnerung des Autors Adolf Schröder, der in Bremen aufgewachsen ist, noch gibt.

Und dieser innere Strudel, der den Jungen erfaßt, erfaßt auch den Hörer. Man wird getrieben von der Erzählung des Jungen. Ein Strom, der unterbrochen wird durch Geräusche und Gesprächsfetzen, durch die man sich unmittelbar in die erzählte Welt versetzt fühlt. Das Quietschen der Schaukel, auf der Markus sitzt; die Mutter, die ihn mit schwermütig zaghafter Stimme anspricht; der Streit der Geschwister; der kleine Brüder, der mit Markus spielen möchte. Geräusche und Szenen, die den erzählten Raum sinnlich spürbar machen. Beinah, als sähe man das Hörspiel. Christine Spies

Heute, 20.05 Uhr, RB I/II