Freiheit für „Börsianer“ verlangt

■ Nach Auffassung der Verteidigung im „Börsenprozeß“ ist der Vorwurf der Brandstiftung zusammengebrochen, für eine Verurteilung nach §129a gibt es keine „nachvollziehbare Anklage“

Aus Frankfurt Michael Blum

Im Prozeß um den Anschlag auf die Frankfurter Wertpapierbörse haben die Verteidiger gestern nach über viereinhalb Monaten Prozeßdauer die Aufhebung der Haftbefehle gefordert. Drei der vier Angeklagten befinden sich seit 15, einer seit 13 Monaten in Untersuchungshaft. Die Haftbefehle und die Anklage waren wegen des „Verdachts der Unterstützung der RAF“ - der Anschlag erfolgte am 12.April 1989, dem 71.Tag des damaligen RAF-Hungerstreiks sowie Brandstiftung ergangen. Nach Meinung der Rechtsanwälte kann dies nach der bisherigen Beweisaufnahme „nicht aufrechterhalten werden“. Der Vorwurf der „Unterstützung“ war erhoben worden, weil der Brandanschlag von den mutmaßlichen Tätern selbst mit dem 10.Hungerstreik der politischen Gefangenen im Frühjahr 1989 begründet worden war. Nachdem der BGH die Solidarität von Nichtmitgliedern der RAF mit den Hungerstreikforderungen als nicht strafwürdig befand, wurde den Angeklagten die „Übernahme und Befürwortung der von der RAF verfolgten Ziele“ zum Vorwurf gemacht. Den Beweis dafür ist die Bundesanwaltschaft allerdings nach Auffassung der Verteidigung bis heute „schuldig geblieben“.

Der Börsenprozeß hat bislang vor allem wegen der „skandalösen Vorgänge“ um die Lichtbildkartei der politischen Abteilung des Polizeipräsidiums Frankfurt Aufsehen erregt. Das hessische Innenministerium hatte untersagt, im Verfahren die Datei vorzulegen. Für die Verteidigung ein zentraler Punkt: Mit der Datei soll geklärt werden, ob Augenzeugen die Angeklagten überhaupt wiedererkennen konnten. Die Verteidigung hat gegen den Erlaß ebenso eine Klage vor dem Verwaltungsgericht angestrengt wie gegen den „Maulkorberlaß des Innenministeriums“. Das Ministerium hatte eine erneute Vernehmung von an dem Verfahren beteiligten Polizisten untersagt. Die Rechtsanwälte werfen den Beamten „Manipulation und Verfälschung der Ermittlungen“ vor. Ein Antrag, das Verfahren bis zur Entscheidung der Verwaltungsgerichtsklage auszusetzen, lehnte der Senat gestern vor Eintritt in die Sommerpause ab.

Auch den Vorwurf der vorsätzlichen Brandstiftung durch das Werfen von Molotowcocktails halten die Anwälte für widerlegt: Die Brandsätze hätten nur Computer zerstört, ein Inbrandsetzen des Gebäudes sei weder beabsichtigt noch möglich gewesen. Der Vorwurf der Brandstiftung sei zusammengebrochen, resümierte Verteidiger Stefan Minden, während es für den Vorwurf der Unterstützung nicht einmal eine nachvollziehbare Anklage gebe. In Betracht käme daher allenfalls eine Verurteilung wegen Sachbeschädigung. Da dies nach dem Gesetz maximal mit zwei Jahren Haft strafbar sei, sei „es höchste Zeit, die Angeklagten freizulassen“.