Vom Berg verschluckt

■ Ab morgen hat die DDR-Mark nur noch Sammlerwert

Spätere Generationen werden rätseln. Denn nur ein kleiner erlauchter Kreis hoher Amtspersonen und zur Sicherung des Transports abgestellter Polizisten, alle zur höchsten Geheimhaltung verpflichtet, weiß, wo der Schatz, einst milliardenschwer, ab heute - nach Schalterschluß - nur noch einige hundert Tonnen Papier, begraben wird.

An die 17 Milliarden DDR-Mark zirkulierten Ende Juni noch im absterbenden Staat. Der größte Teil der Scheine mit den Konterfeis von Karl Marx, Friedrich Engels, Clara Zetkin und Thomas Müntzer (und Goethe, schluchz, d. Korr.) wird nun bald in einem Bergwerkstollen versenkt, ein kleiner Teil stirbt den Feuertod, die Aluminium und Kupfermünzen werden, soweit aus dem Verkehr gezogen, in Gießereien eingeschmolzen und das Rohmaterial für Verdampfer von Kühlschränken und Motorteile abgeben.

Ab morgen ist das alte Geld nichts mehr wert. Doch ein Teil der 17 Milliarden Mark wird vorerst nicht aus dem Verkehr gezogen. Die Alu-Chips im Wert von unterhalb einer Mark bleiben im Umlauf und werden ihren schwereren Schwestermünzen aus dem Westen gleichgestellt. Das hat zwei ganz praktische Gründe. Das Angebot an bundesrepublikanischem Kleingeld kann die gestiegene Nachfrage nicht abdecken. Zudem verdauen viele DDR-Automaten vorerst nur Leichtkost. Eine kleine Menge an Scheinen und Münzen hält überdies die Staatsbank Berlin, Rechtsnachfolgerin der vor einer Woche mit Inkrafttreten des Staatsvertrags aufgelösten Staatsbank der DDR, für Numismatiker zurück. Und eine unbekannte Anzahl von Geldscheinen wird wohl nie mehr den Weg in die alte Heimat finden: zu Spekulationszwecken illegal ausgeführtes Geld, das Bernd Schröter, Pressesprecher der Staatsbank Berlin, vor allem in der Schweiz und Österreich vermutet.

„Die Entsorgung der Mark der DDR“, wie sich Schröter in Ökodeutsch ausdrückt, stellt die Staatsbank, die gemäß Anlage 1 zum Staatsvertrag mit der Beseitigung der Altlast beauftragt ist, vor eine Menge organisatorischer Probleme. So gibt es nur eine Anlage mit Spezialöfen, die für die Verbrennung von Geldscheinen tauglich sind. „Da werden ja auch Substanzen freigesetzt, die für die Umwelt schädlich sein könnten“, fürchtet Schröter. Um welche chemischen Zusammensetzungen es sich handelt, weiß er nicht oder will er „aus Sicherheitsgründen“ nicht sagen. Aber der größte Teil der Scheine wird ohnehin im Berg vergraben. Bis es so weit ist, werden die Säcke mit dem wertlosen Geld an einem höchst geheimen Ort „zwischengelagert“. Wo die wertvollen neuen Westmark gebunkert werden, ist indes bekannt: im Tresor der aufgelösten Staatsbank der DDR. Der befindet sich im Keller des alten ZK-Gebäudes der vormaligen SED.

Thomas Schmid