Die sanften Riesen der Meere

■ Wale: Gereimte Chöre, Fontänen im Minutentakt und große „Spazierstöcke“

„Da hört man Triller, ein Klirren wie von Ketten, die von Gespenstern über den Meeresgrund geschleppt werden, das Knirschen der Angeln eines Tores, einen ganz kurzen lachenden Aufschrei. Manchmal erhob sich aber auch ein wahres Gebrüll wie das Röhren eines Hirsches. In besonders ruhigen Nächten bildeten die Gesänge regelrechte Chöre. Die Zahl der von diesen Tieren produzierten Töne darf auf rund tausend geschätzt werden. Klangfarbe, Tonhöhe und Frequenz variieren dabei bis ins Unendliche.“

Voller Begeisterung hat Jacques Cousteau beschrieben, was schon Aristoteles wußte: Wale können sprechen und singen. Sie unterhalten sich über riesige Entfernungen mit ungeheurer Lautstärke. Wal-Männer komponieren zur Paarungszeit immer neue Gesänge, die, so die neuesten Forschungen, sogar in Versform gekleidet sind. Sie reimen sich. Die Lieder werden zehn, 15 oder auch schon mal 20 Stunden lang vorgetragen. Manche „Gassenhauer“ halten sich mehrere Jahre lang, andere werden immer neu getextet. Wale haben keine Stimmbänder, die Töne werden in den Atemwegen zusammen mit dem Spritzloch gebildet.

Wale sind die größten Tiere auf der Erde. Als Säuger sind sie warmblütig und atmen durch die Lungen, wozu sie immer wieder auftauchen und ihre charakteristische Fontäne durch die Spritzlöcher in die Luft blasen. Experten können die verschiedenen Arten allein an der Form der Blaswolke unterscheiden. Da gibt es die Springbrunnen beim Buckelwal, die Stereo-Spritzer des Grönlandwals oder die 45-Grad -Fontäne des Pottwals.

Grundsätzlich werden die Wale (Cetacea) in zwei Unterordnungen aufgeteilt: Bartenwale und Zahnwale. Bartenwale besitzen keine Zähne, sondern fransige Hornplatten, sogenannte Barteln, mit denen sie ihre Nahrung „sieben“. Das geht so: Das Tier sperrt den riesigen Rachen auf und nimmt je nach Größe mehrere Tonnen Wasser auf. Dieses Wasser wird dann nach außen gepreßt, wobei Krebse, Krill und Fische am Sieb hängenbleiben und ohne Kauvorgang verschluckt werden. Die artenreicheren Zahnwale besitzen dagegen Zähne und haben nur ein Spritzloch gegenüber zweien bei den Bartenwalen. Gemeinsam haben alle 86 Arten im Gegensatz zu den Fischen eine waagrechte Schwanzflosse. Wale können bis zu 90 Minuten tauchen und dabei Tiefen von bis zu tausend Metern erreichen. Probleme des Wasserdrucks kennen sie nicht, und niemand weiß, wie sie dies schaffen.

Der Blauwal ist mit bis zu 30 Metern Länge und 130 Tonnen Gewicht der größte der Zunft. Er wird bis zu 80 Jahre alt, ist aber schon nach zehn Jahren ausgewachsen. Wale paaren sich an der Wasseroberfläche und manche Arten während des Auftauchens. Die Atmung von Männchen und Weibchen muß genau aufeinander abgestimmt werden, und so ist denn die Liebeskunst kompliziert und „hat häufig etwas Tragisches“, wie Cousteau bemerkt. Dann geht die Spermaladung aus dem bis zu drei Meter langen „spazierstockförmig gekrümmten Penis“ schon mal daneben, und es bildet sich ein Schaumfleck „von etwa 35 Meter Länge“.

Alle Wale sind Fleischfresser, ihr Nahrungsverbrauch ist erschreckend. Das Hauptnahrungsmittel vieler Arten ist der Krill, dazu kommen Muscheln, Krebse, Fische. Ein junger Finnwal frißt in seinen Glanzzeiten 3,5 Tonnen töglich und filtert dazu eine Million Kubikmeter Wasser. In Notzeiten und vor allem während seiner Reise durch die Ozeane kann ein Wal auch mal ein halbes Jahr ohne Nahrung auskommen. Dann zehrt er von seiner dicken Speckschicht, die ihn zugleich vor der Kälte schützt.

Aus Walen kann man Margarine, Hundefutter, Tennisschlägerbespannung, Leim, Schuhlöffel und anderes mehr herstellen.

Man kann diesen Säuger aber auch lieben und leben lassen, und man kann ihn streicheln. Denn Wale schätzen jegliche zärtliche Berührung über die Maßen.

Manfredo