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Burger King erobert Grilletta-Provinz

■ Burger King kooperiert künftig mit der DDR-Gastronomiegesellschaft Mitropa /Erste Filiale in Dresden bringt seit Mittwoch die „Whopper“ nach Elbflorenz /Begeisterte DDR-BürgerInnen beim ersten Biß /Schnelles Essen in Zukunft an allen Raststätten, Bahnhöfen und Flughäfen

Aus Dresden Christine Berger

Bahnfahren im Jahre 2000: Familie Spieß steht mit Sack und Pack auf dem Dresdener Hauptbahnhof. Der Zug Richtung Sandburg Hiddensee wartet schon. Plötzlich ein Schrei: „Wir haben die Whopper vergessen!“

Sohn Spieß ist entsetzt, weil keiner an den Reiseproviant aus dem Bahnhofsrestaurant „Burger King“ gedacht hat. „Keine Panik, deinen Hamburger kriegst Du auch im Zug“, beruhigt Mutter Spieß ihr hungriges Dickerchen. Schließlich sind auch die Snacks aus dem rollenden Restaurant vom gleichnamigen Fastfoodgiganten. Und nicht nur im Zug, Burger King herrscht überall dort, wo hungrige Reisende einfallen - auf Raststätten, Flughäfen, Bahnhöfen und im Zugrestaurant. Hamburger verfolgen einen auf Schritt und Tritt. Eine Horrorvision?

Nicht ganz. Wenn man die Verhandlungen des Junkfoodkonzerns mit der DDR-eigenen Mitteleuropäischen Schlafwagen- und Speisewagen-AG (Mitropa) unter die Lupe nimmt, könnte schon bald das königliche Hamburger-Wettfressen auf allen Rastplätzen der DDR beginnen. Burger King, derzeit mit 6.100 Snackrestaurants in aller Welt vertreten, hat das Gebiet zwischen Rostock und Dresden als Entwicklungsland in Sachen Fastfood entdeckt.

Mitropa, mit rund 14.000 Beschäftigten und mehr als 1.000 Serviceeinrichtungen, soll Burger King die Entwicklungshilfe erleichtern. „Mitropa ist die geeignete Partnerin für uns, weil sie über viele Restaurants an attraktiven Standorten verfügt“, meinte John M. Rollo, Vizepräsident von Burger King-Europa am Mittwoch auf einer Pressekonferenz in Dresden.

Umgekehrt erhofft sich Mitropa von der Zusammenarbeit mit dem US-Konzern eine schnelle Sanierung der verlotterten Raststätten und Bahnhofsgaststätten. „Wir brauchen jetzt Partner mit Markterfahrung. Deshalb auch die Zusammenarbeit zwischen Burger King und Mitropa“, erklärte Mitropa-Manager Dr. Ulrich Pomplun mit stolz geschwellter Brust. Für das sogenannte Branchenmix auf Bahnhöfen und Rastplätzen sei Burger King die richtige Partie. Der Slogan „Mitropa macht das Reisen schöner“ mit Hilfe von „Fast-food via Schnell -Service-Restaurants“ gilt als neues Erfolgsrezept der Schlaf- und Speisewagen-AG.

In Dresden wurde der erste Biß in Richtung dieser Marktstrategie auch gleich am Mittwoch getan. „Toll - der original Hamburger ist da!“ kündigte eine überdimensionale Banderole am Portal des Dresdener Hauptbahnhofs an. „Burger King eröffnet in Zusammenarbeit mit Mitropa das erste Hamburger-Bahnhofsrestaurant“, hieß es in der Presseeinladung. „Zum besseren Kennenlernen, möchten wir Sie heute mit unserer Philosophie bekannt machen“, lasen die Dresdener in Hochglanzbroschüren. Stetig zog ein Werbeflugzeug mit Burger-King-Emblem seine Kreise über Semperoper und Zwinger.

Eine Revolution der DDR-spezifischen Eßkultur oder ein Frontalangriff gegen die gute alte Grilletta? Die Ankündigung des ersten Hamburgers zu Dresden machte den Einwohnern jedenfalls Appetit. Ungefähr zweihundert Sachsen hatten sich am Bahnhof eingefunden, um die kulinarische US -Invasion live mitzuerleben.

Doch welche Enttäuschung. Wer sich auf eine der typischen keimfreien Burger-King-Futterkrippen mit Plastikblumen gefreut hatte, suchte vergeblich. Das großspurig angekündigte Restaurant entpuppte sich als ein simples Wohnmobil mit integrierten Wärme- und Grillplatten, vor einer Eingangstür des Bahnhofs geparkt. Den Dresdener Bürgern war der sogenannte Burger-Expreß dennoch allemal ein Grund zum Staunen und Schmatzen. „Der erste Hamburger meines Lebens“, erklärten viele Premierenesser und schwärmten von der „saftigen Rinderboulette und dem weichen Brötchen“.

Über die unverschämten Preise für Whopper, Cheeseburger und Pommes Frites wollten sich nur die wenigsten Fastfood-Fans mokieren. „Gutes hat nunmal seinen Preis“, brachte ein bierbäuchiger Dresdener Volkes Stimme auf den Punkt. Die mentale Schlußfolgerung: Burger King ist amerikanisch und folglich Qualität. Wer sich den Whopper für 4 Mark 60 leisten kann, ist wieder wer.

So hatten denn die uniformierten King-Angestellten auch alle Hände voll zu tun, den Appetit der Hamburger-hungrigen Gemeinde aus dem Tal der Ahnungslosen - Westfernsehen war in Dresden nie zu empfangen - zu stillen. „Was darf es sein, war das alles bei Ihnen?“ Die zumeist sehr jungen Burger -King-Mädchen bahnen sich ihren Weg mit Couponzetteln durch die Menge, nehmen Bestellungen auf und helfen den Whopper -Frischlingen beim ergebnislosen Kampf mit dem Verpackungmechanismus.

Die fast ausschließlich weiblichen Angestellten werden von Mitropa bezahlt. Das Gehalt dürfte somit kaum die 1.000-Mark -Verdienstgrenze überschreiten. Gearbeitet haben die meisten Bedienungen zuvor in der nahen Bahnhofsgastätte. Burger King hat sie in kürzester Zeit für den Fastfood-Verkauf trainiert. „Wir haben nur einen Vierteljahresvertrag, dann will Burger King ja ein Restaurant in Dresden-Neustadt eröffnen“, verriet eine Burger-Queen. Ob sie dort weiter beschäftigt werden, ist ungewiß. „Burger King soll auch Studenten und Schülern Arbeit bieten“, ist die Devise des Hauses. Was das heißt, ist aus den westlichen Filialen hinreichend bekannt: wenig Verdienst - viel Fett im Haar.

Unter den Dresdenern sind solche Weisheiten noch unbekannt. Sie sind begeistert angesichts des Medienrummels rund um den Burger-Expreß und preisen vor laufenden Kameras mit wichtiger Miene die Vorzüge eines Cheeseburgers an. Ein paar jugendliche Hamburger-Verputzer erzählen stolz von ihrer Snack-Erfahrung. „Ist ja nicht der erste Hamburger. Im Westen war'n wir auch schon öfter bei McDonald's oder so“. Und bei Burger King? Antwort: „Ist doch fast dasselbe'oder?“

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