Fangschuß oder Waffenstillstand

■ Moderate Töne zwischen Kirch und Springer auf der Hauptversammlung der Verlagsriesen

Von Thomas Adam

Peter Tamm ist ein rundlicher Herr, der gerne Zigarren raucht. Der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG entspricht in seinem Habitus so ganz dem vertrauten Bild, das die Karikatur sich vom Unternehmer macht. Daran knüpft landläufig die Vorstellung vom fischblütigen Wirtschaftskapitän, der sein Tun und Lassen allein dem ökonomischen Kalkül unterstellt. Nichts falscher als das. In solchen Naturen steckt in Wirklichkeit eine empfindsame und nachtragende Seele, die das kaufmännische Leben in einen Ort entfesselter Leidenschaften verwandeln kann.

So tobt zwischen dem Springer-Konzern und dem Münchner Filmhändler Leo Kirch seit Jahren ein Krieg, in dem der gegenseitige Haß stets die schönsten Triumphe über das gemeinsame Geschäftsinteresse feiert. Alle Mittel, die das Reglement des zivilisierten Faustkampfs vorsieht, werden aufgeboten: Rufmord und Geschäftsschädigung, Intrige, Verleumdungskampagne und Zivilprozeß. Tamm versucht um jeden Preis zu verhindern, daß Kirch, der direkt und über Treuhänder mehr als ein Viertel der Springer-Aktien hält, Einfluß auf die Geschäftspolitik des Konzerns bekommt. Und beim Gemeinschaftsunternehmen SAT1 möchte der Springer-Mann Kirch das Geschäft vermasseln, der den Sender mit seinen Leuten in eine lukrative Abspielstätte für seine Filme verwandelt hat.

Tamm glaubt, ein Vermächtnis Axel Springers zu vollstrecken, der Kirch nicht leiden konnte, und im Rahmen dieser Bemühungen kam es unter anderem zu einer Anzeige bei der Münchner Staatsanwaltschaft, die Kirch als Schmiergeldzahler beim Bayrischen Rundfunk überführen sollte. Der von den Springer-Blättern publizistisch flankierte Schuß ist jetzt nach hinten losgegangen: Das für 600.000 D-Mark gekaufte Beweismaterial ist wertlos, der vermeintliche Täter steht nun als Opfer da, und die Springer -Leute sind selber die Gelackmeierten.

Nach diesen bitteren Erfahrungen beginnt man jetzt offenbar auch im Hause Springer zu begreifen, daß solche Methoden den eigenen Ruf und die gemeinsamen Geschäfte schädigen. Jedenfalls wurde im Vorfeld der Springer-Hauptversammlung in der vergangenen Woche gemunkelt, auf höchster Ebene seien bilaterale Friedensverhandlungen im Gange, und man habe sich einstweilen auf einen Waffenstillstand geeinigt. Und der Springer-Aufsichtsratsvorsitzende Bernhard Servatius gab sich in Berlin tatsächlich alle Mühe, seiner schneidenden Stimme einen versöhnlichen Ton abzugewinnen: Im Interesse der Aktiengesellschaft wolle man nach einem gerechten Ausgleich suchen, Springer sei „zu tragfähigen Kompromissen bereit und in der Lage“. Zum Zeichen seiner guten Absichten gab er den Kirch-Leuten Auskünfte über Konzerngeschäfte in Spanien und Italien, die er im Vorjahr noch strikt verweigert hatte. Und auch Peter Tamm tönte auf einmal von „weitgehenden Kompromissen“, wobei er es sich aber nicht verkneifen konnte, seine redlichen Motive für die Vergangenheit zu betonen. Bei SAT1 will er nie einen Privatkrieg geführt haben, stets habe er sich einzig und allein vom verlegerischen Konzept des Pressefernsehens leiten lassen, das die Zuschauer vor einem Zuviel an Spielfilm und Serie schützen möchte. Und auch in der Zukunft kann er nicht akzeptieren, daß der Sender seine Filme „zu weit über neunzig Prozent bei einem einzigen Filmlieferanten“ einkauft.

Freunde der langjährigen Kampfhandlungen machten schon lange Gesichter als der Kirch-Mann Stiefenhofer ans Mikrophon trat und im Namen seines Auftraggebers die Friedenssignale begrüßte. Aber dann wurde schnell klar, daß das reale bundesdeutsche Wirtschafts-Dallas so schnell nun doch nicht enden wird. Der Großaktionär Kirch will nämlich auch in Zukunft unangenehme Fragen an die Geschäftsführung stellen lassen. Das wird er solange öffentlich auf der Hauptversammlung tun, bis Springer ihm erlaubt, „sich dort zu informieren, wo die Fäden zusammenlaufen: im Aufsichtsrat“. Kirch gibt erst Ruhe, wenn er mitbestimmen darf und seinem alten Traum von einem mächtigen Medienverbund aus Presse, Film und Fernsehen ein Stück nähergekommen ist. Und prompt überzog Stiefenhofer zum Zeichen, daß er es ernst meint, Vorstand und Aufsichtsrat mit Anträgen auf Sonder- und Ergänzungsprüfung . Dazu bemühte er ein anschauliches Beispiel, „um verständlich zu machen, daß Kirch sich nicht in der Lage sieht, Herrn Tamm sein Vertrauen auszusprechen“: Als die Schmiergeldaffäre im Hause Springer noch für eine vielversprechende Sache gehalten wurde, soll der nämlich gesagt haben, daß Kirch damit der „Fangschuß“ erteilt werde. Solche Herzlichkeit ist halt auch für einen Mann wie Kirch ein wenig zuviel Geschäft hin, Geschäft her.