Bratlinge und Öko-Marketing

■ Freiburger Umweltausstellung ist zur größten Umweltmesse Europas geworden / Rundumangebot für biologisch-dynamische Menschen / FCKW-freie Kühlschränke als Renner

Von Susanne Brahms

Freiburg (taz) - Schon von weitem riecht man sie: Vollkornwaffeln, Grünkern-Bratlinge und Bio-Bier verbreiten einen Geruch, der ungeübte Besucher locker in die Knie zwingt. Hartgesottene Bio-Profis empfangen die Besucher der Freiburger Öko-Messe stilgerecht mit den kulinarischen Errungenschaften der alternativen Bewegung. Ist der Magen erst mal stabilisiert, kann die erste Ausstellungshalle der Öko-Messe in Angriff genommen werden: 12.000 Quadratmeter, 350 Stände der unterschiedlichsten Firmen, Institutionen und Städte warten auf Besichtigung. Die Freiburger „Öko '90“ hat sich zur größten Umweltmesse Europas gemausert.

Die Stadthalle beherbergt insbesondere die Stände des Veranstalters, des Bund für Umwelt- und Naturschutz. Hier informieren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des BUND über Energie- und Wassersparen, Gift und Recycling. Besonders bemüht man sich um die Kleinen. In geradezu vorbildlicher Weise werden Schulklassen durch Stelltafeln, Berge von Schulmilchtüten und andere Exponate geschleust. Den Kids gefällt's: Mal-Aktionen, Trubel und Fröhlichkeit sind ein wohltuender Kontrast zu der ansonsten eher bio-bierernsten Atmosphäre der Umweltmesse. Wer hier jemals auf der Suche nach Feuer für seine Zigarette durch die Menge irrte, der weiß ein Liedchen davon zu singen.

An Hirsebuletten vorbei führt der Rundgang zu den Ausstellungszelten in die kühle Rationalität der Marktwirtschaft. Der Sprung von der Subkultur in die markt und vermarktungsfähige Industrie ist längst vollzogen. Öko -Messe hin oder her, hier wie anderswo geht es um Angebot und Nachfrage, Marketing und Produktdesign. Der Anpreiser eines multifunktionalen Staubsaugers („Weltneuheit“) hat auf der Öko-Messe denselben Platz wie sonst vor den Toren Karstadts.

Die große Attraktion der Umweltausstellung ist ein schlichter Kühlschrank. Er wird allerdings ohne Ozonkiller betrieben, sein ästhetisches Design aus durchsichtigem Acryl fügt sich anstandslos in das Outfit jeder post-modernen Wohngemeinschaft. Der Kühlschrank steht programmatisch für die Freiburger Verbrauchermesse, die nicht mit Sensationen locken will, wie seinerzeit noch mit dem Solarmobil. „Auf den Verbraucher kommt es an“, so der BUND -Landesgeschäftsführer Erhard Schulz. Man wolle umweltschonendes Verhalten, umweltfördernde Produkte und Techniken featuren. „Der Einzelne soll sehen, wie er durch sein Verhalten die Natur schonen kann.“ Also doch ein gutes Leben im schlechten?

Das Angebot an umweltverträglichen Gebrauchsgegenständen ist jedenfalls reichhaltig. Von der Wiege bis ins Grab kann der moderne Mensch biologisch-dynamisch gehen: Babys werden mit natürlichen Ingredienzien gecremt, liegen in Urholzwiegen und bekommen Vollwertkost. Ihre Eltern wohnen bestenfalls in Holzhäusern, die natürlich beheizt sind, den Strom liefert der Sonnenkollektor und das Klowasser kommt aus der Regentonne - so man sich das alles leisten kann. Denn nach wie vor sind die meisten Produkte sehr teuer. Vielleicht ist das der Grund, weshalb inmitten der plastikfreien Zone des Messegeländes ein Joghurtbecher und eine Cola-Dose hervorblitzen. Eine Verkäuferin hat diese preisgünstigen Mitbringsel offensichtlich dem teureren Bio -Fast-Food der Öko-Mese vorgezogen.

Neben den sinnvollen und weniger sinnigen Angeboten, wie der Verbraucher sein Konsumverhalten umweltfreundlich gestalten kann, sind es vor allem Müllentsorgungskonzepte, die auf dieser Messe Beachtung verdienen. So ist die Müllpolitik des österreichischen Landes Vorarlberg besonders bemerkenswert. Hier sorgen sogenannte Umweltberater, die sowohl Haushalte wie auch Handel und Gewerbe betreuen, für die effektive Durchsetzung der Mülltrennung und -gesetze. Erhard Schulz wünscht sich das österreichische Modell auch für die Bundesrepublik. Der Erfolg des Modells gibt ihm recht: Das Müllvolumen konnte in Vorarlberg um 50 Prozent gesenkt werden.

Wer nach dem Messerundgang noch willens und bei Kräften ist, der kann sich an Foren, Vorträgen und Diskussionsveranstaltungen über Fragen der Energiesparpraxis, Atom- und Gentechnologie und anderem mehr beteiligen. Die am Freitag eröffnete Messe geht heute zuende.