Abu Daoud in Ost-Berlin - wo war der BND?

■ Mutmaßlicher Kopf des Palästinenser-Anschlages in München '72 war jahrelang unbehelligt in Ost-Berlin

Berlin (taz) - Er fiel auf wie ein bunter Hund. Als breitschultriger Hüne sehr viel größer als für einen Araber üblich, mit Maßanzug und roter Nelke im Knopfloch, war er ein steter Gast im Ostberliner „Palast-Hotel“. Über Jahre war er allabendlich an der dortigen Hotelbar anzutreffen: Abu Daoud, 52, Chef der palästinensischen Untergrundgruppe „Schwarzer September“ und einer der von westlichen Sicherheitsbehörden meistgesuchtesten „Terroristen“.

Gesucht wurde und wird Daoud von der BRD vor allem wegen seiner angeblichen Führungsrolle beim blutigen Anschlag auf die israelische Olympiamannschaft 1972 in München. Elf israelische Sportler wurden damals ermordet. Daouds Luxus -Exil - „Viel Whisky, viel Sekt und immer viele schöne Frauen“, schreibt die 'Berliner Morgenpost‘ in ihrem vorgeblichen Enthüllungsbericht am Sonntag - muß auch den westlichen Geheimdiensten bekannt gewesen sein. Bis Mittte 1988 sei Abu Daud immer wieder in dem Devisenhotel, direkt gegenüber der Volkskammer, einquartiert gewesen. Und: Noch heute halte sich der Palästinenser in Ost-Berlin auf.

Versteckt hatte Daoud sich nicht, nicht einmal eine Veränderung seines Äußeren hielt er für notwendig. Lediglich an der Rezeption des Palast-Hotels hatte Daoud geschummelt er ließ sich unter dem Namen Tarek in die Gästeliste eintragen. Ansonsten lebte er, so die 'Morgenpost‘, seine Gewohnheiten aus. Immer Appartement 7078 oder 8078 (zwei Zimmer im achten Stock für 290 Westmark die Nacht), das Hotelpersonal stets mit einem Sauberkeitsfimmel nervend, häufig besucht von einer blonden Ostberlinerin. Von der Hotelleitung, die seit 1986 informiert gewesen sein soll, wurde der auffallende Palästinenser als VIP eingecheckt und behandelt.

In der DDR konnten sich international gesuchte Palästinenser sicher fühlen, einige ließen sich im Ostberliner Krankenhaus Charite behandeln. Dort kamen westliche Fahnder nicht an die Gesuchten heran. Warum aber griffen sie nicht zu, wenn Daoud sich auf eine seiner Auslandsreisen begeben hatte?

Eventuell reichte die Beweislage doch nicht für eine Verurteilung aus. In einem taz-Interview hatte Daoud im Februar 1983 immerhin angekündigt, sich unter bestimmten Bedingungen der bundesdeutschen Justiz stellen zu wollen. Er forderte ein faires Verfahren, den Schutz vor dem israelischen Geheimdienst Mossad und einen formellen Auslieferungsantrag der Bundesregierung an die PLO. „Ich habe damit nichts zu tun“, gab Daoud der taz in Sachen Olympia-Attentat zu Protokoll: „Ich war 1972 in Libanon.“ Selbstbewußt fügte er hinzu: „Wenn die leisesten Beweise gegen mich vorliegen, sollen die bundesdeutschen Behörden Dokumente oder Fotos veröffentlichen. Warum tun sie das nicht?“

Die Ostberliner Kriminalpolizei kündigte gestern an, der Sache nachzugehen - bislang sei ihr nichts über den Aufenthalt Daouds in der DDR-Hauptstadt bekannt. Offensichtlich haben westdeutsche Sicherheitsbehörden, die über Daouds Leben in Ost-Berlin informiert gewesen sein müssen, auch nach dem Fall der Mauer und trotz Fahndungsunion bislang nichts unternommen, um den angeblichen Top-Terroristen zu stellen. Warum hat sich DDR -Innenminister Peter-Michael Diestel diesen Fahndungserfolg entgehen lassen?

Axel Kintzinger