Ein teurer Betriebsausflug

■ Braunschweiger Stadtwerke gaben 51.000 DM für Betriebsausflug aus / SPD-Minister machte mit

Hannover (taz) - Der Untreue fühlte sich der heutige niedersächsische Innenminister Gerhard Glogowski eigentlich nicht schuldig, als er vor einem halben Jahr in der niedersächsischen Vorwahlkampfzeit eine Geldbuße von 12.000 DM zahlte. Für eine 51.000 DM teure „Dienstreise“ des Aufsichtrats der Braunschweiger Stadtwerke zum Münchner Oktoberfest hatte die Staatsanwaltschaft Braunschweig die Geldbuße gegen den Braunschweiger Oberbürgermeister und Vorsitzenden eben dieses Aufsichtsrats verhängt. Glogowski fühlte sich unschuldig und zahlte aus rein „politischen Erwägungen“, um das Verfahren vor dem Wahlkampf abzuschließen. Seit gestern steht allerdings fest, daß zumindest nach Auffassung des Amtsgerichts Braunschweig die sogenannte „Oktoberfest-Sause“ des Aufsichtsrats sehr wohl den Tatbestande der Untreue erfüllt. Das Amtsgericht verurteilte gestern zwei Geschäftsführer der Stadtwerke Braunschweig wegen gemeinschaftlicher Untreue zu Geldstrafen von 80 und 70 Tagessätzen, wenn auch auf Bewährung, und bestimmte, daß die Stadtwerke-Geschäftsführer und Vorständler der Braunschweiger Verkehrs AG Wolgang Probst und Dietrich Hentschel 21.000 und 15.000 DM als Ersatz für die Reisekosten an ihr Unternehmen zurückzuzahlen haben.

Zusammen mit Glogowski hatten auch Probst und Hentschel zunächst von der Staatsanwaltschfat Strafbefehle über 18.200 bezeihungsweise 14.000 DM bekommen, anders als der Braunschweiger Oberbürgermeister jedoch eine Einstellung des Verfahrens gegen die Geldbuße abgelehnt. Jetzt hat allerdings der Prozeß in Braunschweig gezeigt, daß gerade der heutige Innenminister der rot-grünen Koalition es war, der sich im September 1988 für eine Fahrt der Stadtwerke -Gremien per Sonderzug zum Münchner Oktoberfest stark gemacht hatte. Angeblich wollten sich die 41 Spitzen der Braunschweiger Stadtwerke bei MAN in München über die Entwicklung neuer Niederflurbusse informieren. Nur dauerte der Besuch auf der MAN-Teststerecke am Ende nur ganze zehn Minuten der dreitägigen Reise, und Vorträge über die Entwicklung dieser Busse hätten sich die Stadtwerke-Spitzen auch zu Haus in der Braunschweiger MAN-Entwicklungsabteilung anhören können. Einen Sonderzug schließlich, der dann aus einer Lokomotive und einem Wagen mit 230 Plätzen für die 41 Oktoberfest-Gäste bestand, bestellte man nur, weil die Gesellschaft in Hannover nicht umsteigen wollte. Aus dem vor Gericht verlesenen Schriftverkehr zwischen den Stadtwerken und der Bahn ergab sich, daß es gerade der Wunsch Gerhard Glogowskis, nicht umsteigen zu müssen, war, der dann zum chartern des teuren historischen Sonderzuges führte.

Das war dem Gericht zu teuer. Die Stadtwerke erwirtschafteten jedes Jahr einen Verlust in Millionenhöhe, der aus dem städtischen Haushalt beglichen werden müsse, sagte Amtrichter Winfried Steinberg. Und bei der teuren Reise zum Oktoberfest habe Erfolg und Aufwand in einem eklatanten Mißverhältnis gestanden.

Jürgen Voges