Eine Lobby für Jugendliche

■ Trägerverein für Straßensozialarbeit mit Jugendgangs gegründet / Teams mit deutschen und nichtdeutschen Streetworkern sollen ab September in den Bezirken arbeiten

West-Berlin. Von euphorischer Gründerstimmung war gestern im Hause der Jugendsenatorin nicht viel zu spüren. Mit ganzen neun Streetworkern für die „aufsuchende Straßensozialarbeit“ mit Jugendgangs lassen sich keine Berge versetzen - darüber waren sich auch die Mitglieder des dazugehörigen Trägervereins klar, die sich gestern der Öffentlichkeit vorstellten. Immerhin 35 Mitglieder haben sich zusammengeschlossen - darunter SozialarbeiterInnen aus bezirklichen Einrichtungen, VertreterInnen von ImmigrantInnenorganisationen wie dem Türkischen Elternverein, von Wohlfahrtsverbänden und aus dem Büro der Ausländerbeauftragten. Die Stellen für die Streetworker dem Innensenator mühsam aus dem Kreuz geleiert - müssen nun besetzt werden.

Drei Teams, bestehend aus je drei Streetworkern, sollen ab September in den Bezirken an die Arbeit beziehungsweise auf die Straßen gehen. Ab 1991 stehen weitere sechs zur Verfügung. Die Stellen sollen mit deutschen und nichtdeutschen SozialarbeiterInnen besetzt werden. Allein die Arbeitsplatzbeschreibung klingt schon überwältigend: Jugendliche aus den sogenannten Gangs ansprechen, Räume für Freizeitaktivitäten beschaffen, bei Ärger mit den Behörden helfen, eine Vertrauensbasis herstellen.

Um diese nicht zu gefährden, legt Hanna Biamino, frischgebackene Vorsitzende des Trägervereins, Wert auf „eine klare Abgrenzung zur Polizei“. Erste Probleme werden sich spätestens mit dem Inkrafttreten des neuen Ausländergesetzes ergeben. Dann nämlich wären die Streetworker möglicherweise verpflichtet, über die Aktivitäten der Jugendlichen den Ausländerbehörden Auskunft zu geben, für die Mitglieder des Trägervereins ein völlig indiskutabler Zustand. Den SozialarbeiterInnen will der Verein auch mit politischen Forderungen den Rücken stärken „zum Beispiel muß über das Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiter wieder nachgedacht werden“.

Die Jugendsenatorin hofft gar, mit dem neuen Trägerverein „eine Lobby für die Jugendlichen“ aus der Taufe gehoben zu haben - „auch um der Kampagne von rechts gegenzusteuern“. Vorstandsmitglied Peter Schruth von der Kreuzberger Jugendberatung wünscht sich vor allem eines: daß das Thema Jugendgangs nicht in die Schlammschlacht des kommenden Wahlkampfes gerate.

anb