Solidarnosc-Bürgerkomitee gespalten

■ Ehemalige Mitstreiter Walesas gründen „Demokratische Aktion“ / Kritik an autokratischen Führungsmethoden des Solidarnosc-Vorsitzenden / Basisdemokratische Parteikonzeption erwogen

Warschau(ap/taz) - Die seit Wochen schwelenden Auseinandersetzungen zwischen Lech Walesa und dem um Premier Mazowiecki gescharten Lager haben jetzt zu organisatorischen Konsequenzen geführt. Nachdem Walesa bereits vor Monaten die Gründung der rechtskonservativen „Allianz des Zentrums“ inspiriert hatte, schlossen sich seine Gegner am Montag in der „Demokratischen Aktion“ zusammen. Damit ist zwar nicht die Gewerkschaft „Solidarnosc“, wohl aber ihr politischer Arm, das Bürgerkomitee, endgültig auseinandergebrochen. Kern der neuen Gruppe sind jene 63 Solidarnosc-Aktivisten, die auf der Sitzung des Komitees vom 27.Juni mit ihrem langjährigen Kampfgefährten Walesa gebrochen hatten. Die Allianz vereinigt führende Gewerkschafter wie den ehemaligen Chef der Untergrundgewerkschaft zur Zeit des Kriegsrechts und langjährigen Vorsitzenden der Warschauer Solidarnosc, Zbigniew Bujak, und Wladyslaw Frasyniuk, den Vorsitzenden des kampf- und mitgliederstarken Wroclawer Verbandes. Mit ihnen haben sich der Solidarnosc nahestehende Künstler verbündet wie Andrzej Wajda, liberale Intellektuelle wie der Chefredakteur der 'Gazeta Wyborcza‘ und langjährige Regimegegner Adam Michnik, vor allem aber die Krakauer katholische Intelligenz um Jerzy Turowicz, die der katholischen Soziallehre verpflichtet ist und enge - zum Teil freundschaftliche - Beziehungen zum Papst unterhält.

Einig ist sich die neue Allianz in der Ablehnung des autokratischen Führungsstils Walesas. Frasyniuk: „In Polen sind zwei unterschiedliche politische Konzepte zutage getreten. Das eine befürwortet eine Diktatur der starken Hand, um mit den Sorgen des Alltags fertig zu werden. Wir dagegen treten für ein Land mit demokratischen Freiheiten ein, mit einem starken Parlament und einem Präsidenten, der die Rolle des Vermittlers spielt.“ Die „Allianz“ befürwortet wie Walesa selbst eine vorzeitige Beendigung der Präsidentschaft Jaruzelskis. Während aber Walesas Partei ihren Heros noch von dem jetzigen, nur partiell demokratisch legitimierten Parlament wählen lassen will, soll nach Meinung der „Allianz“ diese Wahl direkt durch das Volk erfolgen.

Walesa fordert, die ökonomischen und demokratischen Reformen zu forcieren. Der ihm nahestehende Ökonom Kurowski hat ein Projekt vorgelegt, daß die beschleunigte Privatisierung der Produktionsmittel, Steuersenkungen und eine Fortsetzung der Politik des knappen Geldes vorsieht. Auch die Regierung Mazowiecki, die von der neuen „Allianz“ unterstützt wird, verfolgt diese Ziele, jedoch hat Wirtschaftsminister Balcerowicz jetzt eine Kurskorrektur eingeleitet. Er will verhindern, daß die Sparpolitik zu einer neuen Wirtschaftskrise führt. Mangel an ökonomischen Alternativprogrammen ist die Hauptschwäche der neuen, mehrheitlich sozialdemokratisch orientierten Gruppe.

Während die katholischen Intellektuellen die „Allianz“ hauptsächlich als Sammelbecken zur Unterstützung der Regierung Mazowiecki verstanden wissen wollen, verfolgen Gewerkschafter wie Bujak oder Frasyniuk die Idee einer basisorientierten Politik, die gegenüber dem herkömmlichen Parteiensystem Selbstständigkeit bewahren will.

CS