Zivis wurden vergessen

■ Bei der rückwirkenden Verkürzung der Wehrdienstzeit guckt ein Teil der Zivildienstleistenden in die Röhre

Von Axel Kintzinger

Berlin (taz) - Bei der Verkürzung der Wehrdienstzeit ist ein Teil der Zivildienstleistenden von Bonn offenbar vergessen worden. Wer seinen Zivildienst vor dem 1. Oktober 1989 begonnen hat, muß - nach den jetzigen Plänen - die vollen 20 Monate dienen.

In die Röhre würde zum Beispiel Christoph Dowe gucken, der in Heidelberg als Zivildienstleistender alte Menschen betreut. Wenn er Pech hat, muß er das noch ziemlich lange machen. Dowe hatte seinen zivilen Ersatzdienst am 1. August des vergangenen Jahres angetreten und sich auf eine 20monatige Beschäftigung eingestellt.

Kollegen Dowes, die etwa Anfang Oktober ihren Zivildient begannen, können frohlocken: Nach der jüngst beschlossenen Verkürzung der Wehrdienstzeit beenden sie ihren Zivildienst nach bereits 15 Monaten, hören also noch vor Dowe mit ihrer Arbeit für das Gemeinwohl auf.

Ursache dieses Mißverhältnisses ist, so vermutet Pastor Ulrich Finckh von der Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer (Bremen), eine „Panne“ im Gesetzentwurf, den die Koalitionsrunde Ende vergangener Woche zur Verkürzung der Wehrdienstzeit von 15 auf 12 Monate ausgearbeitet hatte. Offenbar habe niemand daran gedacht, daß Zivildienstleistende (statt 20 Monaten künftig nur noch 15) nicht quartalsweise, sondern monatlich eingezogen werden. Kein Wunder: An den Beratungen war kein Vertreter des für die Zivis zuständigen Jugendministeriums anwesend. Pastor Finckh: „Die haben nur von der Bundeswehr her gerechnet, als es um den Stichtag ging.“ Und das ist nach der Regierungsvorlage der 1. Oktober 1989. Die betroffenen Zivis, Pastor Finckh und auch beteiligte Politiker wie der FDP-Abgeordnete Werner Hoyer setzen jetzt darauf, daß die Scharte im Gesetzgebungsverfahren noch ausgemerzt wird. Sowohl Bundestag als auch Bundesrat müssen zustimmen. Und es eilt. Finckh hofft, daß der Bundestag sich unmittelbar nach Beendigung der Sommerpause dieses Problems annimmt. Auch der Bundesbeauftragte für den Zivildienst, Peter Hintze, will sich für eine „notwendige Präzisierung“ einsetzen.

Die Nachteile für Zivildienstleistende mit Dienstbeginn vor dem 1. Oktober 1989 sollen bestmöglich aufgehoben werden, sagte Hintze zur taz. Was aber, wenn der Entwurf die parlamentarischen Gremien unverändert passiert? „Wer seine 15 Monate rum hat“, rät der streitbare Theologe Finckh, „der geht dann einfach nach Hause.“ Es sei schwer vorstellbar, daß so ein Abtrünniger wegen „Fahnenflucht“ belangt werde.