2.800.000.000 DM für den Altbau

■ Stadtbaurat Thurmann und Bausenator Nagel schlugen gestern Alarm: In den nächsten zwei Jahren müssen 176.000 Wohnungen in der Region Berlin dringend saniert werden / Kostenpunkt: 2,8 Milliarden Mark / Bonn will nicht zahlen

Berlin. Ein Sofortprogramm für die Stadterneuerung für Berlin und die Region einschließlich Potsdam und Frankfurt an der Oder in Höhe von 2,8 Milliarden forderten gestern der Ostberliner Stadtbaurat Thurmann (SPD) und sein Westberliner Kollege Nagel (SPD). Damit sollen in den nächsten zwei Jahren 176.000 Wohnungen saniert werden, davon 70.000 in Ost -Berlin, 40.000 in West-Berlin und 68.000 Wohnungen in der Region. Sonst drohe ein weiterer dramatischer Verfall der Altbausubstanz, viele Häuser müßten abgerissen werden. Allein in Ost-Berlin stehen nach Nagels Schätzungen 25.000 Wohnungen leer, in West-Berlin sind es 7.000 Wohnungen. Wenn die wieder bewohnbar gemacht würden, könnte man schneller und billiger gegen die Wohnungsnot angehen als mit Neubau. Außerdem seien 22.000 Arbeitsplätze in der Bauindustrie gefährdet. „Wir müssen die Stadterneuerung für die gesamte Region einschließlich ganz Berlin planen, sonst ist die Wohnungsnot nicht zu beseitigen“, sagte Nagel. Schließlich zögen jetzt schon sozial schwache Westberliner in den Osten, was ab September auch legal möglich sein wird, während Ostler, die in West-Berlin arbeiteten, dort zunehmend Wohnungen suchten.

Die 2,8 Milliarden für 1990 und 1991 sollen aus öffentlichen Geldern bezahlt werden, und zwar zu zwei Dritteln aus Regierungsmitteln und zu einem Drittel aus Geldern des Landes Brandenburg, dessen Gründung im Oktober erwartet wird. Erfolg hatten die DDR-Kommunen mit ihrem Wunsch nach mehr Geld bereits beim Neubau: Nachdem die Oberbürgermeister aller DDR-Städte Anfang der Woche gewarnt hatten, man werde sämtliche Neubauprojekte stoppen müssen, falls kein Geld komme, hatte DDR-Finanzminister Romberg nun den Kommunen zugesagt, in den nächsten drei Monaten 1,8 Milliarden Mark an Kreditbürgschaften zur Verfügung zu stellen. Das wird jedoch bei der Stadterneuerung nicht passieren. „Wir haben unseren Haushalt eingebracht, und das Geld reicht überall nicht aus. Wenn wir für die Stadterneuerung umschichten würden, müßte jemand anderes etwas hergeben“, sagte der Sprecher des DDR-Finanzministers Romberg.

Aber auch von der BRD-Regierung ist kein Geld mehr zu erwarten. „Der Nachtragshaushalt für 1991 ist schon bewilligt, der für 1992 weitgehend festgelegt“, sagte die Sprecherin von Bauministerin Hasselfeldt (CSU), Lemke. Außerdem sei die DDR-Regierung dafür zuständig, wie sie ihre Mittel verteile. Eine Entscheidung, den DDR-Städten nach der Wiedervereinigung mehr Geld zu geben, sei einem späteren gesamtdeutschen Parlament vorbehalten. „Aber mit öffentlichen Geldern ist das alles sowieso nicht zu machen, das wäre zu teuer, da muß privates Kapital hineinfließen“, sagte Frau Lemke. Linie des Hauses sei, daß die Mieten so angehoben werden, daß es Eigentümern möglich werde, die für die Erhaltung der Wohnungen nötigen Gelder selbst aufzubringen.

Auch im DDR-Bauministerium kursierten während der letzten Wochen Vorschläge, die Instandsetzungkosten auf die Miete umzulegen, und zwar genauso wie die Modernisierungsumlage in der BRD mit elf Prozent der Baukosten auf die Jahresmiete. Es sei jedoch, so Nagel, für die DDR-Mieter nicht tragbar, die gesamte Stadterneuerung zu finanzieren, denn dann würden Kostenmieten um die zwanzig Mark pro Quadratmeter herauskommen.

Eva Schweitzer