Kleines Fernsehspiel, große Dokumentation

■ „Die Wette“, Di., ZDF / „Stauffenberg“, Di., ARD

Wirklich schade, daß sich Martin Walz in seinem beachtlichen Debut Die Wette nicht auf sein eigentliches Talent verläßt, kleine witzige Histörchen am Rande zu erzählen. Statt dessen zwängt er seine in netten Bildern erzählte Orient-Expreß-Parodie in einen halbseidenen, mystischen Rahmen, dessen es überhaupt nicht bedurft hätte. Es beginnt mit einer Weißblende, einer Art „Prolog im Himmel“. Der Schaffner unseres „Mystery Trains“ alias Pan Tau (Ota Simanek), der Zugführer (Ladislav Smoljak) und Bruno Ganz als Kellner schließen eine „Wette“ ab, ob „ER“, der Kommissar, seinen letzten Fall wohl bewältige. Von einem aufzuklärenden Verbrechen wissen wir bis dahin noch gar nichts.

Wieder so eine Kopfgeburt, und die Augendeckel sacken gleich einen Millimeter tiefer ob der nachtschlafenden Zeit. Doch mit dem Beginn der eigentlichen Geschichte wird es richtig nett. Thomas (Thomas Wolff) und Beatrice (Beatrice Manowski) befinden sich auf der Urlaubsheimfahrt und giften sich, wie das so üblich ist bei einem Erholungskater, mächtig an. Er gibt ihr zu verstehen, daß er froh ist, wieder zu Hause zu sein. - „Und isch ääst!“ platzt ihm Beatrice in ihrem ersten Dialogpart entgegen, als mimte sie eine verzogene Göre auf einer Volkstheater-Bühne. Großartig! Er als rustikaler Sonnenbrillen-Macho, sie als tapsige Blondie im strahlend weißen Strandkleid. Gefilmt in schönen, deutlich an Polan ski erinnernden Schwarz-Weiß-Bildern. Die dem Vorspann unterlegte Edgar-Wallace-Musik signalisiert wieder eine Spur zu deutlich die aufs stilistische abzielende Intention des Regisseurs.

Die aus unmotiviert-absurden Perspektiven gefilmte, klaustrophobische Enge im Zugabteil wäre angesichts der schwachen Dialoge sicherlich zu einem prätentiösen Zitat erstarrt, hätte nicht das am Rande des Chargierens entlangschrammende Spiel der beiden Hauptakteure für spröden Witz gesorgt. Mit dem Auftauchen des aus zahlreichen Jiri -Menzel-Filmen bestens bekannten Kommissar (Rudolf Hrusinsky) und seinem an verwitterte Dachpappe erinnernden Mimenspiel findet der Film, der bis dahin seinen Vorgaben eher hinterherlief, eine Balance. Wenn Martin Walz den vom Genre festgeschriebenen Regeln folgt (Ermittlung, Zeugenbefragung, Spurensicherung etc), ergibt sich plötzlich Raum für eine Fülle phantasievoller Randbeobachtungen, mischen sich köstlich sächselnde Fahrgäste ins Geschehen, bekommen auch seine unmotiviert nach Atmosphäre heischenden Großaufnahmen einen präziseren Sinn als den, uns penetrant daran zu erinnern, daß die sich lösende Anhängerkupplung eine kriselnde Beziehung bedeutet. An einigen Stellen wurde spürbar, welch prima Film das hätte werden können.

Rie

Heiliges Deutschland“ - mit diesen Worten brach Oberst Claus Graf von Stauffenberg unter den Kugeln eines Erschießungskommandos im Hof der Wehrmachtszentrale in der Berliner Bendlerstraße tot zusammen. Und jedes Jahr im Sommer müssen er und die anderen Männer des 20. Juli im deutschen Fernsehen auferstehen, um dem Volk mit der unbestritten finstersten Geschichte, ein Stück Unschuld wiederzugeben. Doch würde die gesamte Sendezeit des restlichen Jahres nicht ausreichen, um im Gegenzug die Schuld der Deutschen anzumahnen. Stauffenberg und seine Freunde sind in der Bundesrepublik zum Synonym für den Widerstand im Dritten Reich geworden. Die Attentäter des Jahres 1944 wurden aber gleichzeitig auch benutzt, um eine Armee im westlichen Deutschland in ihrem Zugriff auf das Erbe der Wehrmacht zu legitimieren. Und darin lag wohl eine der wesentlichen Ursachen für die in der DDR über lange Zeit verordnete Verdrängung des Themas 20. Juli.

Vor einem Jahr brach Hans Bentzien endgültig mit den verkürzten Interpretationen der Ost-Medien. Sein Film, erstmals am 20. Juni 1989 im DDR-Fernsehen zur besten Sendezeit ausgestrahlt, unterscheidet sich von den DDR -üblichen Geschichtsdokumentationen. Stauffenberg ist der Versuch über die geistige Sozialisation des Grafen, über seine Biographie, einen Zugang zur Tat zu finden. Die wichtigste Figur des 20. Juli nicht als Objekt, sondern Subjekt der Geschichte zu verstehen, bedeutete für Bentzien vulgärmarxistischen Pfade zu verlassen. Die Beziehungen der Brüder Stauffenberg zum Stefan-George-Kreis werden von dem DFF-Kurzzeit-Intendanten zwar berührt, jedoch nicht bis zur letzten Konsequenz geführt. Den vor der Frage inwieweit die von George-Jünger-Stauffenberg postulierten Ideale, auch ohne ihre Pervertierung durch Hitler, fragwürdig geworden sind, schreckt der Film zurück.

Andre Meier