„Von einem Sieg können wir nicht reden“

■ Volkskammerabgeordnete Angelika Barbe (SPD) über die Perspektiven des Schwangerschaftsabbruchgesetzes

INTERVIEW

taz: Die Fristenlösung der DDR soll auch nach der Vereinigung für eine unbestimmte Zeit beibehalten werden. Ist das ein kleiner Sieg für Sie und ihre Landsleute, die doch laut einer Umfrage des Jugendforschungsinstituts Leipzig zu 77 Prozent hinter dieser Regelung stehen sollen?

Angelika Barbe: Von Sieg können wir nicht reden, denn unser Ziel ist es, diese Fristenlösung auch in Gesamtdeutschland durchzusetzen. Und die Gefahr, die von der CDU ausgeht, nämlich doch den Paragraphen 218 durchzusetzen, ist ja dadurch nicht gebannt. Das sehen wir schon kritisch. Wir sehen allerdings auch die Chance, noch einmal ein gutes Schwangerschaftsabbruchgesetz zu machen. Unser Ansatz ist: In einer Konfliktsituation muß die Frau selbst entscheiden können, was sie tut. Es muß aber Beratungsmöglichkeiten keine Pflicht - geben, es muß finanziell abgesicherte Kinderbetreuungsmöglichkeiten geben, um auch das geborene Leben zu schützen. Es muß eine sehr gute Aufklärung, es muß bessere Verhütung geben. Das alles muß in einem solchen Gesetz eingebracht werden.

Selbst innerhalb Ihrer Partei gibt es aber doch Meinungsverschiedenheiten über das Recht auf selbstbestimmte Schwangerschaft. Sie haben selbst auf einer deutsch -deutschen Frauenkonferenz kürzlich in Bonn darüber geklagt, daß es in der Ost-SPD Männer wie Frauen gäbe, die bereit sind, diese Forderung zu streichen.

Das ist leider falsch in der Presse angekommen. Es gibt zwar Auseinandersetzungen, aber es besteht Einigkeit darüber, daß eine Fristenlösung bleiben muß. Diskussionen gibt es über den Punkt: wie hart drücken wir unsere Position in der Verfassungsfrage aus, welche Verfassungspunkte können wir jetzt schon im Staatsvertrag festschreiben. Und nur zu diesem Punkt habe ich mich geäußert. Ich bin deswegen hart angegangen worden in meiner Fraktion und bin natürlich froh, daß sie hinter der Fristenlösung steht.

Zur Verteidigung der Fristenlösung brauchen Sie auch die Unterstützung zumindest der CDU-Frauen in der DDR. Die aber sind, auch im Ausschuß für Frauen und Familie, doch sehr deutlich auf dem Rückzug.

Zumindest haben sie sich erst einmal auf die Übergangsregelung geeinigt, und es gibt in der CDU eine kleine Minderheit, die für die Fristenlösung eintritt. Wie zum Beispiel Familienministerin Christa Schmidt. Das ist für uns eine zusätzliche Chance. Wie sie allerdings in einem gesamtdeutschen Parlament stimmen werden, da bin ich auch pessimistisch. Auf jeden Fall wird das ein hart umstrittenes Thema im Wahlkampf werden, auch wenn in den letzten Wochen immer wieder gesagt wurde, es eigene sich dafür nicht. Ich möchte aber wissen, wie handelt die CDU wirklich? Wir haben einen Entschließungsantrag in die Volkskammer eingebracht, der noch immer nicht behandelt worden ist, obwohl das seit Wochen versprochen wird.

Was steht darin?

Daß wir uns zu der Fristenlösung bekennen. Dieser Antrag ist von unserem Ausschuß eingebracht worden. Er ging dann in der Volkskammer verloren, wurde aber wieder gefunden. Der ganze Vorgang war sehr merkwürdig, um das vorsichtig auszudrücken. Es wurde versprochen, daß er auf die Tagesordnung kommt. Deswegen gab es letzte Woche auch die aktuelle Fragestunde in der Volkskammer. Der Antrag ist aber immer noch nicht da.

Interview: Ulrike Helwerth