Minister will Verfassung stoppen

■ DDR-Regionalminister Preiß wies Oberbürgermeister Schwierzina an, die neue Ostberliner Verfassung wieder außer Kraft zu setzen / Der Oberbürgermeister weigert sich

Ost-Berlin. Streit um die neue Ostberliner Verfassung: Der DDR-Minister für Regionale und Kommunale Angelegenheiten, Manfred Preiß (Bund Freier Demokraten), hat Oberbürgermeister Tino Schwierzina (SPD) aufgefordert, die von der Stadtverordnetenversammlung beschlossene Verfassung „außer Kraft zu setzen“. Nach Ansicht von Preiß ist die Verabschiedung einer Landesverfassung zum jetzigen Zeitpunkt mit der geltenden alten Kommunalverfassung der DDR nicht zu vereinbaren, da Ost-Berlin noch keinen Länderstatus habe. Schwierzina wies die Forderung von Preiß als „zentralistischen Eingriff“ zurück.

Preiß gab in seinem Brief an Schwierzina zu, daß er von der Verabschiedung der neuen Ostberliner Verfassung erst „durch die Tagespresse“ informiert worden war. Bis zum nächsten Montag, so Preiß, solle Schwierzina ihm über „eingeleitete Maßnahmen schriftlich Mitteilung machen“. Der Berliner Oberbürgermeister konterte auf das Schreiben von Preiß mit einem geharnischten Brief an Ministerpräsident Lothar de Maiziere. Darin betonte er, daß der Magistrat „mitnichten“ einer kommunalen Rechtsaufsicht des DDR-Ministers unterstehe. Der Aufforderung, die Verfassung wieder aufzuheben, werde er nicht nachkommen. Dies verbiete ihm schon allein die Tatsache, daß nun endlich auch in der DDR der maßgebende Grundsatz der Gewaltenteilung gelte. Es gebe auch keinen vernünftigen Grund dafür, daß Berlin mit der Verabschiedung einer Verfassung bis zur Bildung der übrigen Länder in der DDR warten solle. Schließlich existierten mit dem Magistrat und der Stadtverordnetenversammlung bereits eine demokratisch legitimierte Regierung und ein frei gewähltes Parlament in Berlin. Schwierzina forderte den DDR -Ministerpräsidenten auf, von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch zu machen, damit Übergangsregelungen und die Verlagerung von Lan deskompetenzen nicht verhindert würden.

Die neue Ostberliner Verfassung wurde auf der Grundlage der 1948 verabschiedeten Verfassung erarbeitet und auf der letzten Stadtverordnetenversammlung verabschiedet. Sie wird von allen im Parlament vertretetenen Fraktionen mitgetragen und enthält Passagen, die politisch deutlich über Länderverfassungen der Bundesrepublik hinausgehen. So ist darin beispielsweise das Wahlrecht für in Berlin lebende Ausländer festgeschrieben, und Bürgerinitiativen wird Antrags- und Rederecht in parlamentarischen Ausschüssen gewährt.

ccm