Aids ist schlimm

■ Ulis letzter Sommer, ARD, Do. 20.15 Uhr

Die Todes-Reportagen bei Aids häufen sich. Bei keiner anderen Krankheit wird so häufig der Leidensweg eines Menschen bis zu seinem Ende festgehalten. Holger Weinert hat sich mit seinem Film allein auf die letzten Monate des 39jährigen aidskranken Homosexuellen Uli konzentriert. Das ist noch mal eine sehr viel größere Herausforderung.

Gezeigt wird nicht das schwierige und bedrohte Leben eines infizierten oder aidskranken Menschen, sondern sein Sterben. Das erfordert ein riesiges Maß an Einfühlungsvermögen, Würde und Respekt vor dem Leid und vor dem Tod. Und es verlangt ein klares Anliegen. Der Autor hat weder das eine noch das andere in ausreichendem Maß.

Wer Bilder aus der Grenzzone des menschlichen Daseins zeigen will, mit denen er Intimitäten und die Autorität des Todes verletzt, muß mehr zu sagen haben als: Aids ist schlimm. Es bleibt fraglich, ob Holger Weinerts Film wirklich Verständnis für die Situation von Aids-Kranken wecken kann, wie er es offensichtlich beabsichtigt hat.

Die ur-eigenen, nur für diese Krankheit typischen Probleme, wurden zu wenig thematisiert. Die Ängste vor Ansteckung bei Ulis Bekannten und Pflegern tauchen nur ansatzweise auf. Die Fragen der Überlebens- und Unterstützungsstrategien beim Kranken und seinen Freunden werden nur angetippt, ebenso die materiellen Probleme der Kranken. Die Hoffnung auf neue Medikamente, die guten und schlechten Wirkungen der alten sind kein Thema.

Selbst der Tod, dessen Autorität den gesamten Film prägte, wurde immer nur fast beiläufig angesprochen. Die Fragetechnik erinnerte fatal an die flachen Reporterfragen nach dem Wie-fühlen-Sie-sich-jetzt? „Wann hast Du zuletzt geweint?“ „Heute morgen“. Aha.

Der Film, der „alles zeigen“ wollte, dokumentiert den rasant zunehmenden Verfall eines Menschen und je schlimmer dieser Verfall wurde, desto weniger waren die Bilder noch zu rechtfertigen. Wer den bis zum Skelett abgemagerten Körper eines jungen Mannes in Millionen Wohnzimmern ausstellt und das Gestammel eines Todekranken wenige Tage vor seinem Ende aufzeichnet, der muß für solch eine Ausnahmesituation trifftige Gründe haben, sonst bleiben dies letztlich voyeuristische Bilder.

Aids ist eine furchtbare Krankheit. Die Gefahr, diese Krankheit als Vehikel für eine gute Geschichte mit eindrucksvollen Bildern zu benutzen, ist für jeden Journalisten groß. Mit gutem Willen und den besten Absichten alleine kann man dieser Gefahr nicht begegnen.

Manfred Kriener