DDR-Landwirtschaft belastet Preise

■ EG-Beamter fordert radikale Umstellung der Landwirtschaft in kürzester Zeit

Göttingen/Brüssel (dpa/vwd) - Die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) in der DDR können nach Ansicht von deutschen Experten bei der Europäischen Gemeinschaft (EG) nur überleben, wenn die nicht landwirtschaftlich Beschäftigten in den Betrieben Tischler, Maurer, Klempner, Zimmerleute oder Maler freigesetzt werden.

„Sie belasten mit ihrer unproduktiven Arbeit die Erzeugerpreise so sehr, daß die DDR-Landwirtschaft nirgends konkurrenzfähig mithalten kann. Die DDR-Staatssymbole Hammer, Zirkel und Ähren sind überall im Land abgeschafft, nur bei den Genossenschaften kommt man nicht davon los. Doch der Hammer muß raus, sonst gehen die LPGs beim Zusammenschluß Deutschlands baden“, sagte Klaus Wettig vom Sonderausschuß DDR-EG-Angleichung (Göttingen) am Wochenende in Brüssel. Eine „radikale Umstellung in kürzester Zeit sei jetzt notwendig, „und wir dürfen dabei keine Fehler machen.“

Der Leiter des Hanse-Office, des gemeinsamen Büros der Länder Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, Wilhelm Haferkamp, und der ständige Vertreter der DDR bei der EG, Botschafter Ingo Oeser, haben ebenfalls Formeln und Vorstellungen parat. Die DDR-Landwirtschaft arbeite mit viel zu vielen Arbeitskräften und veralteter Technik: Preise weit über den EG-Preisbindungen und mangelhafte Qualitäten unterhalb der EG-Normen seien das Ergebnis.

Die 1992 auslaufenden, gerade verhandelten Sonderregelungen seien nach Meinung der Experten Hilfen, bedeuteten jedoch noch nicht die Rettung. Sie könnten nur rasche Entschuldung und Rationalisierung bringen, erklärte Haferkamp. „Viele LPGs haben - wie die meisten DDR-Betriebe - nur deshalb so hohe Schulden, weil ihnen jahrzehntelang die Gewinne genommen wurden“, meinte der DDR-Botschafter gegenüber 'dpa‘. Haferkamp forderte mehr private Investoren und Kleinkooperativen auch im Bereich des Mittelstandes, etwa bei der Produktverarbeitung. „Rentner aus der Bundesrepublik sollten als Berater in die DDR gehen und Betriebe Fachleute abstellen, um den Laden in Schwung zu bringen“, schlug Wettig vor.

„Was bei den EG-Ausschußsitzungen und im Ministerrat bei den Verhandlungen über Sondervergünstigungen auch immer herauskommt, das allein reicht nicht“, betont Wettig. Von den 840.000 in der Landwirtschaft Beschäftigten müsse mehr als die Hälfte freigestellt werden, forderte er. Wettig warnt jedoch davor, sie „schlicht zu entlassen“. Diese Handwerker haben früher ein halbes Jahr vergeblich auf das Ersatzteil für den Mähdrescher aus der Sowjetunion gewartet und dann wenige Tage vor dem Ernteeinsatz das Zahnrad oder was immer gebraucht wurde, selbst hergestellt.