Zwischen Zweireihern

■ Die Bürgerparktombola und die realitätsprägende Kraft des Bewußtseins

Erst gab es einen Sherry. Gut dry. Dann gab es Karl Wöhler mit Zahlen (3.380.000 Lose der Bürgerparktombola verkauft), Daten (Glücksfee Frau Hülsberger hat allein 132.000 Lose verkauft) und Fakten ( Reingewinn: 1.625.000 DM). Da habe ich noch gedacht, was gehen mich Herrn Organisator Wöhlers Bürgerparktombolasondertage von Joes Pizza bis zu Fitmilch an. Da habe ich noch Sätze mir gemerkt, wie den zu den tombolafördernden Auftritten von Howard Carpendale, welche „alle erfolgen ohne Honorar durch uns“ und überlegt, wozu Carpendale kommt, wenn er kein Honorar kriegt und dann doch Herr Wöhler auftritt. Fand zu

dem Zeitpunkt auch noch die weinrote Kravatte des lotteriezuständigen Innensenators Peter Sakuth zum kleinen dunkelblauen Zweireiher büroschwül, obwohl auch das Hemd dieses Weinrote in Streifen zeigte.

Dann gab es den eigentlichen Chef, Friedrich Rebers, Sparkassen- und Bürgerparkvereinschef. Der wies auf die vielen Investionen hin, die aus dem traditionellen Drei -Achtel-Anteil des Bürgerparkvereins (600.000 DM) bezahlt werden müssen und daß allein die 40 Beschäftigten 2 Mio. Mark verschlingen, und ich habe immer noch kühl die Gestik dieses umtriebigsten Bremer Pfeffersackbankers studiert und die Alternative zwischen Linke-Hand-zur-rechten-Führen oder In-die-Tasche-unterm-dunkelblauen-Zweireiher-Stecken für begrenzt

eingeschätzt.

Dann der Umschlag. Rebers als Gastgeber gab das Zeichen („soller bringen, soll losgehen“ ) und es ging los mit Rinderkraftbrühe „Royal“ und gutem sauren Weißen, und schon fand ich Rebers Perlschlipsnadel garnicht mehr so übel. Dann gab es Schweinemedaillons „Robert“ in feiner Senfsauce mit Bohnenbündchen und gebratenen Kartoffeln. Und da fand ich, daß der Innensenator hinterm Wiesenblumenstrauß einen so weichen Zug um den Mund hat, den das Fernsehen einfach konsequent unterschlägt. Und daß die private Initiativkraft all dieser Bänker von Sparkassen-Rebers bis zu Tischnachbarn Dr. Schröder von der Bremer Landesbank mit ihren kulturellen Aktivitäten ein Segen für die Hansestadt sind. Und wie

gut sie alle zueinander passen, diese diese staatlichen und privaten kleinen blauen Zweireiher, die die gute Gesellschaft der Stadt ausmachen, hier im umkühten Jürgenshof, das der Sparkasse gehört. Und was für ein Segen ist es doch, daß aus Westdeutschlands erfolgreichster Tombola das „Schulschiff Deutschland“ und das Waldorf -Theater je 300.000 Mark kriegen. Den Eisbecher hab ich nicht mehr geschafft und mußte auch vor dem Kaffee weg. Man gut, denn welche Etuden über den dreieinigen Kulturetat, zusammmengesetzt aus dem staatlichen, dem Lotto-und dem aus der Tombola mir noch nach deren Einnahme in die Tasten geflossen wäre, wage ich mir nicht mehr auszudenken. Hoch lebe „Robert“.

Uta Stolle