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§ 218: Grüne begrüßen Süssmuth-Kurs

■ Streit in der CDU, eingeschränkte Unterstützung durch die Grünen

„Das ist die größte Heuchelei, die ich je erlebt habe.“ Deutliche Worte von Karin Stieringer, CDU -Bürgerschaftsabgeordnete, zu dem Vorschlag ihrer Parteigenossin und Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, im vereinten Deutschland Frauen über eine Abtreibung selbst entscheiden zu lassen, wenn sie sich vorher einer Beratung unterzogen haben. „Angesichts des Wahlkampfes ungeachtet von Leben und Tod solche Diskussionen anzustrengen, ist unter keinen Umständen vertretbar“, so Stieringer weiter, und: „Wenn sie meint, sie ist dafür, soll sie es sagen und nicht etwas formulieren, was man als Jurist dreimal lesen muß, um es zu verstehen. Die Grünen sagen: Wir wolle dürfen. Das ist ehrlicher.“

Maria Spieker, Referentin für

Frauenpolitik in der grünen Fraktion der Bremer Bürgerschaft, findet Süssmuths „Vorstoß richtig“. Bundesweit gäbe es zwar die klare Linie innerhalb der Partei: Streichung des Paragraphen und Abschaffung des Beratungszwanges. In einer bundesweiten Aktion aller grünen Länderfraktionen haben die grünen Frauen allerdings erstmal ihre Landesregierungen aufgefordert, im Zweiten Staatsvertrag die bisherigen Regelungen in der BRD wie auch in der DDR festzuschreiben, damit die positiven Ansätze zur Liberalisierung des Paragraphen später weiterdiskutiert werden können.

Kollegin Carola Schumann, Bürgerschaftsabgeordnete, zum Süssmuth-Vorschlag: „Angesichts der Gefahr, daß die Indikationsregelung festgeklopft wird,

müßten sich die Frauen parteien-und fraktionsübergreifend zusammentun. Dann könnten wir aus machtstrategischen Überlegungen auch Kompromisse eingehen, weil es die einzige Chance ist, zu einer besseren Lösung als der Indikationsregelung zu kommen.“ Aber eigentlich, so Schumann, habe der Staat beim Thema Abtreibung „nichts zu suchen“.

Niedersachsens grüne Frauenministerin Waltraud Schoppe freut sich ebenfalls, daß Süssmuth auf den Strafrechtsparagraphen 218 verzichten will. Für die Beibehaltung von Teilen der bisher in der Bundesrepublik gültigen Indikationslösung sei die rot-grüne Landesregierung jedoch nicht zu haben. Schoppe sprach sich für die Landesregierung erneut für die Übernahme der DDR -Fristenlösung aus. Für den

Schutz des ungeborenen Lebens sei es wichtig, ausreichend Kindergartenplätze, Erziehungsgeld und kinderfreundliche Wohnungen zu schaffen und rechtlich abzusichern, sagte Schoppe in einer Mitteilung.

Die niedersächsische CDU unterstützt den in der Union kritisierten Kompromiß-Vorschlag von Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth zur Abtreibungsregelung im vereinigten Deutschland. Hartwig Fischer, Generalsekretär der Niedersächsischen CDU sagte gestern, der Süssmuth-Vorschlag entspreche dem Prinzip „helfen statt strafen“. Die Kritik an Süssmuth, insbesondere die Vorwürfe von CSU-Generalsekretär Erwin Huber, die CDU-Politikerin habe „feministische Schlagseite“, wies Fischer zurück. dpa/bea

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