Freude über Süssmuths „dritten Weg“

■ SPD-Frauen signalisieren Zustimmung für neues Abtreibungsrecht / Aber Kritik an Zwangsberatung und „Lebensschutz“ im Grundgesetz / CSU kündigt „härtesten Widerstand“ an

Berlin (dpa/afp/taz) - Die Christlich-Sozialen sind empört, die CDU ist indigniert über den Alleingang ihrer prominentesten und beliebtesten Frauenpolitikerin, und die SPD-Frauen freuen sich offen. Rita Süssmuths Vorstoß für einen „dritten Weg“ zwischen Indikations- und Fristenlösung sorgte gestern in Bonn für neuen Stoff im Streit um den Schwangerschaftsabbruch und macht zugleich neue politische Konstellationen möglich. Die Bundestagspräsidentin hatte vorgeschlagen, den Paragraphen 218 aus dem Strafgesetzbuch zu nehmen und den Schwangerschaftsabbruch statt dessen in einem umfassenden „Lebensschutzgesetz“ zu regeln. In den ersten drei Schwangerschaftsmonaten sollen Frauen selbst über eine Abtreibung entscheiden können. Strafbar soll der Abbruch nur noch ohne die vorgesehene Zwangsberatung sein.

Neben Abgeordneten aus Süssmuths Partei wandte sich auch Innenminister Wolfgang Schäuble gegen den Vorschlag. Er will die Frage des Schwangerschaftsabbruches im Einigungsvertrag so behandelt wissen, wie letzte Woche aus dem Justizministerium bekanntgeworden war. Zwischen den Verhandlungskommissionen aus Bonn und Ost-Berlin war eine Übergangszeit für die DDR-Fristenregelung vereinbart worden. Süssmuth hatte dagegen darauf beharrt, eine „Lösungsperspektive“ für ein einheitliches Recht müsse bereits im zweiten Staatsvertrag aufgenommen werden. CSU -Generalsekretär Erwin Huber kündigte an, die Christlich -Sozialen würden „härtesten Widerstand“ leisten. Ziel müsse es sein, auch in der DDR nach einer kurzen Übergangsfrist die bundesdeutsche Regelung einzuführen.

Deutliche Zustimmung erfuhr der „dritte Weg“ dagegen bei Politikerinnen der SPD und der Berliner Frauensenatorin Anne Klein (AL). Eine Zwangsberatung lehnen sie aber ab. Kritik erfuhr auch Süssmuths Vorstellung, im Grundgesetz Artikel 2 Abs. 2 den „Schutz des ungeborenen Lebens“ aufzunehmen. Anne Klein erklärte, die geforderte Verankerung sei die „falsche Herangehensweise“. Hier werde eine „Hintertür für Lebensschützer“ offengehalten. Vielmehr sollte endlich das Selbstbestimmungsrecht der Frau in Schwangerschaftsfragen im Grundgesetz festgeschrieben werden. Gesprächsbereitschaft aus den Reihen der SPD-Frauen signalisierte SPD -Präsidiumsmitglied Inge Wettig-Danielmeier: „Es freut mich, daß nun auch die erste CDU-Politikerin klar ihre Absicht bekundet hat, den Abbruch zu entkriminalisieren.“ Allerdings sei eine „Zwangsberatung“ keine Beratung. Sie führe zur Verpflichtung für Frauen, in einer ohnehin schwierigen psychischen Situation auch noch moralische Vorhaltungen hinzunehmen. Aus den Reihen der DDR-PolitikerInnen begrüßte Gesundheitsminister Jürgen Kleditzsch den Vorschlag.

lu