Landeswahlgesetz mit Fußangeln

■ Mitglieder der Wahlkommission erläuterten gestern das Für und Wider/ Empfehlung an die Bürgerbewegungen: Keine unabhängigen Einzelkandidaten aufstellen

Aus Berlin Beate Seel

„Die Art und Weise, in der das Wahlgesetz vorbereitet und verfaßt worden ist, ist für mich persönlich symptomatisch für den sich vollziehenden demokratischen Abbau in diesem Land.“ Andreas Schönfeld, Pressesprecher der im Februar eingerichteten Wahlkomission, erläuterte gestern auf einer Pressekonferenz von Demokratie Jetzt seine Vorbehalte gegen das am vergangenen Sonntag in der Volkskammer vom Parlament verabschiedete Gesetz zu den Landeswahlen.

Im Vergleich zur Volkskammer- und Kommunalwahl habe diesmal eine öffentliche Debatte gefehlt. In die Wahlkomissionen, die in der Vergangenheit demokratisch von allen Parteien und Vereinigungen besetzt worden seien, können künftig laut Paragraph 12 nur noch die im Parlament vertretenen Gruppen ihre VertreterInnen entsenden - „ein klassischer Fall der Ausgrenzung“ von kleineren Gruppen. Schließlich monierte Schönfeld, der Mitglied der Alternativen Jugendliste ist, die Bestellung des Wahlleiters der Republik durch das Präsidium der Volkskammer, der dann die Wahlleiter in den Ländern ernennt.

„Damit ist aus Sicht der Mehrheitsverhältnisse erst einmal sichergestellt, daß nur regierungstreue Wahlleiter bestellt werden können.“ Auch Wahlkommissionen wird es künftig nicht mehr geben. Statt dessen sollen „durch administrative bürokratische Maßnahmen“ Wahlvorstände gebildet werden und denjenigen, die dieses „Ehrenamt“ nicht antreten wollen, Ordnungsstrafen bis zu 500 DM anbgedroht werden.

Positiv bewertete Schönfeld die Tatsache, daß nicht nur Parteien, sondern auch Vereinigungen zu den Wahlen antreten können, den Ausschluß von Gruppen mit faschistischem, rassistischem, oder militaristischem Programm sowie die Einführung der Briefwahl. Auf der Minusseite wurde schließlich noch vermerkt, daß Ausländer kein Wahlrecht haben.

Aus der Sicht der Bürgerbewegungen ist es zwar ein wichtiges Ergebnis, daß auch Vereinigungen kandidieren können, gleichzeitig aber droht ihnen bei den Landtagswahlen am 14. Oktober eine Fünf-Prozent-Hürde. Wie Peter Bickhard, ebenfalls Pressesprecher der Wahlkomission und Mitglied von Demokratie Jetzt, ausführte, war die Sperrklausel im 1. Entwurf des Gesetzes nicht enthalten. Er wies darauf hin, daß auch in der jetzigen Volkskammer Gruppen mit nur einem Vertreter sitzen. Das parlamentarische Gefüge werde dadurch nicht gestört. Das entsprechende Wahlgesetz lehnt sich an die diesbezüglichen bundesdeutschen Regelungen an. Wie in der BRD gibt es ein gemischtes Personen- und Verhältniswahlrecht. Das bedeutet, jeder Wähler kann mit einer Stimme einen Kandidaten direkt wählen, mit einem weiteren Kreuz für eine Partei votieren.

Dies hat eine wichtige Folge für die Bürgerbewegungen und Vereinigungen: Falls ein Einzelkandidat unabhängig auftritt und gewählt wird, fallen die für eine Liste abgegebenen Zweitstimmen weg. Nur im Falle einer Nichtwahl werden die Zweitstimmen der gewählten Liste zugeschlagen. Daher die Empfehlung Bickhards an die Adresse der Bürgerbewegungen, daß Einzelkandidaten um der von ihnen eventuell unterstützten Gruppe willen nur innerhalb einer bei den Wahlen zugelassenen Partei oder Vereinigung kandidieren sollten. Die Kandidatenlisten müssen spätestens bis 40 Tage vor der Wahl eingereicht sein.