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„Körperliche Gewalt“ gegen Besetzer

■ 10 Haus-BesetzerInnen ED-behandelt / „Geschlagen und getreten“

„Wohnungsnot muß nicht sein, wir zieh'n in leere Häuser ein.“ Und: „Ich bin nichts, ich kann nichts, gebt mir eine Uniform.“ Rund 30 Jugendliche machten am späten Mittwochnachmittag in der Vegesacker Fußgängerzone ihrem Frust über polizeiliche Umgangsformen lautstark Luft. Hintergrund: Bei der Räumung des Nawatzki-Hauses hatte die Polizei zehn BesetzerInnen verhaftet und nach Angaben der Jugendlichen ohne Angabe von Gründen zur Erkennungsdienstlichen (ED-) Behandlung vorläufig festgenommen und zum 16. Revier nach Walle gebracht. Offizielle Begründung für diese Prozedur: Die Polizei habe Strafanzeige gestellt, da in Lesum Pflastersteine gestohlen worden seien, die im Nawatzki-Haus wiedergefunden wurden. Außerdem sei es zu Sachbeschädigungen gekommen. Aufgabe der Polizei sei es gewesen, diesen Straftatbeständen Personen zuzuordnen.

Auf der Wache in Walle gingen

die Beamten, nach Angaben der Jugendlichen ziemlich unsanft mit den vorläufig Festgenommenen um. „Vor der ED-Behandlung haben die uns in so ein mal zwei Meter große Zellen gesperrt und das Licht ausgemacht“, erzählt ein Mädchen. Nachdem sie die Prozedur über sich ergehen ließ, konnte sie gehen. Doch: Ihre gerade wiedergewonnene Freiheit währte nicht allzu lange. Sie setzte sich zu einigen Leuten, die sinnigerweise direkt vor der Wache ein Feuer entfacht hatten.

Darauf holte die Polizei zwei Mädchen und einen Jungen ein zweites Mal in das Revier. EineR der Betroffenen erzählt, daß er einen Schlag auf den Hinterkopf und fünf bis sechs Tritte unter die Rippen und an den Oberschenkel erhalten habe.

Adolf Umlauf, stellvertretender Revierleiter in Walle, bestätigte, daß „drei Jugendliche zur Verhinderung weiteren gesetzeswidrigen Verhaltens in Gewahrsam genommen wurden“. Be

gründung: „Die haben sich da richtig provokativ verhalten, haben mit Bierdosen 'rumgeschmissen, 'rumgejohlt und schließlich das Feuer gemacht.“ Erst daraufhin seien die Beamten eingeschritten. Ein Richter entschied nach Rückfrage der Polizei, daß die Jugendlichen zu entlassen seien.

Von verdunkelten Zellen ist Walles stellvertretendendem Revierleiter nichts bekannt. Daß das Licht ausgemacht wurde, könne höchstens aus Versehen passiert sein. „Und außerdem“, so Umlauf, sind die Zellen ja nicht ganz dunkel. Da sind kleine Fenster aus Glasbausteinen drin.“ Umlauf grundsätzlich: „Wer sich ordentlich benimmt, wird auch ordentlich behandelt.“

Die Polizeipressestelle wollte nicht auschließen, daß die Beamten mit körperlicher Gewalt gegen die Jugendlichen vorgegangen sind. Pressesprecher Eilers: „Freiwillig geht doch keiner in die Zelle.“

ubu/hbk

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