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Der falsche Rotarmist...

■ Wie ein Berliner Türke zum (Medien-)Russen wurde

Mit Fotos kann man alles beweisen - vor allem dann, wenn sie gefälscht worden sind. Der 'Spiegel‘ brachte in dieser Woche einen Artikel über „elektronisch getürkte Fotos“ und berichtete über die schier unbegrenzten Möglichkeiten der Labor-Tüftler, aus einem X ein U zu machen. Immer mehr Zeitschriften beauftragen Spezialagenturen damit, „störende Einzelheiten“ - wie Bäume, Autos oder Fahnenstangen - von den Bildern zu entfernen. Peinlich für die taz: Vor Jahren wurde uns von einem Berliner Fotografen ein Bild angedreht, das den in Windeln gewickelten jungen Gorbatschow mit Blutschwamm auf seiner Glatze zeigt. Das Feuermal wurde allerdings von dem Fotografen ins Bild gezaubert - die taz druckte es ahnungslos ab.

Peinlich nun für den 'Spiegel‘ und die Westberliner 'BZ‘: Vor kurzem drehten beide Blätter ihren Lesern einen mit D -Mark-Scheinen wedelenden „Sojwetsoldaten“ an, - als Beleg dafür, daß die Währungsunion nun auch die in der DDR stationierten Russen errreicht hat. Der „Sowjetsoldat“ jedoch ist in Wirklichkeit ein in Berlin geborener Türke, der auf dem Potsdamer Platz Souvenirartikel und Gegenstände aus dem realsozialistischen Alltag vertickert. Der 20jährige war von einem Fotografen aufgefordert worden, doch mal einen Armeemantel und eine Miltärmütze aufzusetzen, weil er ein Bild „fürs private Fotoalbum machen wollte“. Der willigte ein und ließ sich mit 20 Mark abspeisen, fand sein Konterfei aber Tage später auf Seite 1 des Springerblattes, wenig später dann im 'Spiegel‘ wieder. Unterzeile: „Sowjetsoldat mit Westgeld“. Der falsche Rotarmist hat sich nun einen Anwalt genommen und klagt sein Recht auf das eigene Bild ein - und Geld, wie sich versteht.

ccm

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