Go west - die PDS verbündet sich

■ Die PDS und Exponenten der bundesrepublikanischen Linken beschlossen am Wochenende in Köln, unter dem Namen „Linke Liste“ eine Wahlpartei zu gründen. Vorreiter im Westen ist Michael Stamm, der gestern Hamburgs Grün-Alternative Liste verließ.

Vorwahlkampf

Viele der rund 300 Zuhörer des Kölner Arbeitstreffens „Anschluß der DDR - Anschlußfragen der Linken“ hatten tatsächlich Fragen zu gesamtdeutschen Wahlen und linken Optionen. Nicht wenige jedoch, die vorher wie nachher Bescheid wußten: „Zum Parlamentarismus hat Genosse Lenin das Richtige gesagt“, so Reiner vom „FKK-Oberhausen“, dem „Freundeskreis des Kommunismus“. Auf keinen Fall „dürfen wir Illusionen in Wahlen schüren“. Was da von den Initiatoren des Treffens vorgelegt worden sei, habe mit der Revolution wenig gemein.

Eine Bewertung, die den einladenden Personen, die am Wochenende ihr Projekt eines Wahlbündnisses unter dem Namen „Linke Liste/PDS“ vorstellten, gut gefällt. Zu den Begründern gehören unter anderem Axel Eggebrecht, Manfred Coppik (Grüne), Michael Stamm (nicht mehr GAL-Hamburg), Christiane Reymann (Ex-DKP, Sozialistisches Forum), Heinrich Hannover (Rechtsanwalt), Professor Frank Deppe und Bernd Henn (IG-Metall-Bevollmächtigter in Salzgitter). Dieser Kreis diskutierte in wechselnder Besetzung seit Wochen mit der PDS über die Frage einer Kooperation zu den gesamtdeutschen Wahlen im Dezember. Bekanntlich ist die DDR -Partei seit geraumer Zeit auf der Suche nach Partnern in der Bundesrepublik. Über die diversen Gründungen von PDS -Initiativen war in der Ostberliner Parteizentrale niemand glücklich. „Die können wir weder politisch noch personell einschätzen“, meint ein Parteivorständler. Schon gar nicht wollte die PDS in die Nähe der bei frustrierten SPD- und Grün-Wählern diskreditierten DKP-Pleitegeier geraten. So kam die Initiative des Debattierklubs um Michael Stamm gerade recht. Vergangene Woche gab der Parteivorstand dem Wahlbündnis sein Plazet.

Sehr zum Mißfallen spinnerter Kleinst-Zirkel stellte Christiane Reymann gestern fest, daß Spielraum für eine lange „basisdemokratische“ Diskussion nicht gewährt wird: „Wir stehen für kein anderes Projekt zur Verfügung. Das bedeutet: Wir gründen keine neue Partei, sondern wollen eine wählbare Alternative bilden. Laut Wahlgesetz geht das nur durch Bildung einer Wahlpartei. Wir werden es erledigen. Insgesamt wollen wir damit die Voraussetzung für die weitere Diskussion eines linken Projekts in Deutschland schaffen“. Wegen des enormen Zeitdrucks sollen Programmfragen Anfang September auf einem Wahlkongreß geklärt werden.

Weitgehend unumstritten in der Diskussion war die Zusammenarbeit mit der PDS, deren Vorsitzender Gregor Gysi den Saal am Sonntag gut füllen konnte. Bei der Podiumsdiskussion wiederholte er mehrfach sein „Angebot“: „Wir wollen uns einbringen in eine breite linke Bewegung, ohne unsere Selbständigkeit aufzugeben. Es wird ein gegenseitiger Lern- und Veränderungsprozeß sein.“ Die Linke müsse ihre Chance nutzen und sich nicht wieder auf die Hervorhebung des Trennenden kaprizieren. Bekannt zwar, aber immer wieder von heftigem Beifall begleitet, Gysis Einschätzung, daß die SPD nichts anderes in den deutschen Einigungsprozeß einbringe, als die PDS zu enteignen und sie

-„ebenso wie andere Linke und Bürgerrechtsbewegungen“ - aus dem neuen Parlament herauszuhalten.

Die Bürgerbewegungen der DDR interessierten die Anwesenden herzlich wenig. SPD-Vorstandsmitglied Ibrahim Böhme widmete ihnen eine Eloge, aber das war's schon. Reinhard Schult vom Neuen Forum blieb gelassen, machte nur diejenigen, die mit flinker Zunge nichts als die „Niederlage der Linken“ bejammerten, darauf aufmerksam, daß „die SED eine rechte Partei gegen das Volk gewesen“ sei und sämtliche „Errungenschaften“ der DDR gegen die SED durchgesetzt worden seien. „Wir sind uns doch einig, daß auch die DKP keine linke Partei ist“, glaubte er. Die Zustimmung war spärlich, obgleich der Streit um die DKP permanent in der Luft hing. Deren Apparatschiks traten nämlich in gewohnter Dreistigkeit auf. Ellen Weber, bis heute DKP-Parteivorständlerin, quälte sich zwei Worte über ihren „Irrtum“ raus, um dann umstandslos über ihre Begeisterung für die Linke Liste/PDS zu schwadronieren. Wohl wissend, daß die minimal gewendeten Trittbrettfahrer zumindest das mediale Aus für die neue Wahlpartei bedeuten würden, polemisierte Michael Stamm heftig gegen das „strohdumme Sendungsbewußtsein“ einer Ellen Weber und Co. Die PDS hingegen eierte offiziell herum. Gysi: „Selbstverständlich grenzen wir die DKP nicht aus. Aber sie muß noch vieles zu ihrer Erneuerung tun.“ Tatsächlich glauben die Initiatoren, das „real existierende Problem mit der DKP unter Kontrolle halten zu können“. So werden selbst Ex-DKPler des früheren Erneuerer-Flügels „wohl kaum mit aussichtsreichen Listenplätzen rechnen können.“

Weniger Kopfzerbrechen scheint der PDS die Perspektive zu bereiten, daß weder die Linke Liste/PDS noch die Grünen im Parlament vertreten sind. Die Ökopaxe, die sich im Frühjahr an der Frage des Verhältnisses zur PDS fast gespalten hätten, wollten keine Zusammenarbeit. „Wenn sie das ablehnen“, so Gysi, „warum kommt man uns dann jetzt ständig damit, wir sollten uns zurückziehen?“ Und der spottversessene Anwalt fährt fort: „Im ürigen hat niemand Wählerstimmen gepachtet.“ Kein bißchen säuerlich gab sich der Westberliner AL-Politiker Harald Wolf: „In Berlin wird es zwei Fraktionen geben. Na und? Konkurrenz belebt das Geschäft.“

Petra Bornhöft