Das britische Mörderspiel

Die schönsten Gruselmärchen und die kompliziertesten Kriminalgeschichten kommen aus England. Leseratten der ganzen Welt amüsieren sich prächtig mit englischer Unterhaltungsliteratur. Die Briten selbst nehmen ihre Gespenster und Mörderrätsel jedoch durchaus ernst. So brachte die Sozialbehörde der mittelenglischen Stadt Chaddeston eine 33jährige Frau und ihre drei Kinder in einem Hotel unter, um sie vor einer Horde Geister in Sicherheit zu bringen, die sich im Haus der Familie eingenistet hat. Sue Jones behauptet, daß sich schon seit ihrem Einzug vor zehn Jahren unerklärliche Ereignisse in dem Haus abspielen. Kacheln fallen von den Wänden, die Tapeten rollen

sich auf und Glühbirnen zerplatzen. Aber erst, als sich das Gespenst einer alten Frau an ihrem Bett niederließ und lächelnd strickte, schnappte sich die gute Frau ihre Kinder und zog aus. Die Mitarbeiter der Sozialbehörde nehmen die Sache sehr Ernst, sie bezahlen das Hotel, und „wenn ein Exorzist gebraucht wird, muß Mrs.Jones keinen Penny bezahlen“.

Ein mordverdächtiger Computerfachmann aus dem südenglischen Seaford hat der Polizei ein bizarres Rätsel aufgegeben. Der Mann war im vergangenen Monat verhaftet worden. Ihm wird vorgeworfen, die seit Anfang des Jahres verschwundene 43jährige Therese Terry umgebracht und ihre Leiche versteckt zu haben. Der Verhaftete hüllte sich in Schweigen, übergab der Polizei aber zwei Seiten mit Aufzeichnungen, die sie auf die Spur des Opfers bringen soll

ten. Das eine Blatt enthält unter der Überschrift „Spielgebiet“ eine Landkarte, das andere unter dem Titel „Spielzeitplan“ eine Reihe von Codes und Symbolen, die Schachpositionen ähneln. Die Polizei wandte sich zuerst an den Schachexperten der

Londoner 'Times‘, der auch bald eine Lösungsversion vorlegte. Danach stellt die Karte die Insel Irland dar. Der Punkt mit der Bezeichnung HG (Her Grave ihr Grab) soll danach in der Nähe der Ortschaft Limerick liegen. Der schwarze König soll der Mörder, die schwarze Königin das Opfer sein. Die weißen Figuren wurden als Polizisten identifiziert. Aber es blieben viele Punkte im Dunkeln. Inzwischen wird die Polizei mit einer Lawine von Erklärungsversuchen und Interpretationen überflutet. Der Schachexperte der Zeitung 'The Independent‘ sieht in der Karte beispielsweise eine grobe Skizze Europas und vermutet, daß die Leiche von einer Fähre zwischen Neapel und Palermo ins Meer geworfen wurde.

Wie es aussieht, haben die Briten einen neues Gesellschaftsspiel.

Karl Wegmann