Große Koalition gegen Grundrecht auf Asyl?

■ Freude bei der CDU/CSU über Lafontaines Wunsch, das Asylrecht weiter einzuschränken / Schwacher Protest in der SPD / Nur FDP-Hirsch mag „nicht am Asylrecht der Verfassung herumfummeln“ / Union will jetzt alte Pläne aus der Schublade ziehen

Aus Bonn Ferdos Forudastan

Eduard Heußen ist ein vorsichtiger Mensch. Nein, als Sommerthema eigne sich diese Geschichte nicht. Überhaupt, propagieren wolle er das Thema keineswegs. Der Sprecher der Sozialdemokraten könnte es auch so ausdrücken: Ein Glück, daß kaum jemand beachtet hat, was Oskar Lafontaine jüngst zum Asylrecht äußerte.

Um „Mißbrauch zu unterbinden“ schließe er eine Änderung des Grundrechts auf Asyl nicht mehr aus. Das ließ der SPD -Kanzlerkandidat vorigen Donnerstag einige Journalisten wissen. Am Montag legte er nach: Eine Grundgesetzänderung sei „leider erforderlich“, damit „Menschen aus Ländern, in denen nachgewiesenermaßen keine Menschenrechtsverletzungen mehr vorgenommen werden, wie etwa Polen, nicht mehr das Recht haben, einen Asylantrag zu stellen“. Mit diesen Worten hat Lafontaine nicht nur die Position von CDU und CSU zum Asylrecht bezogen. Er hat sich auch gegen den Standpunkt seiner eigenen Partei gestellt.

Gegen den offiziellen zumindest - oder nur höchstens? Für zu großzügig befunden wird das Grundrecht auf Asyl nämlich durchaus auch von Teilen der SPD. Besonders sozialdemokratisch regierte Länder und Gemeinden mäkeln intern seit Jahren am Artikel 16 des Grundgesetzes herum, der jedem politisch Verfolgten hierzulande Schutz vor Verfolgung gewähren soll.

Daß der Kanzlerkandidat innerparteilich eher auf offene Ohren und Herzen stößt - das legen die Reaktionen auf seine eigentlich ketzerischen Äußerungen nahe. „Nicht angebracht“ seien Lafontaines „mißverständliche Äußerungen, die in Richtung dessen gehen, was Konservative vertreten“. Dies meint zwar Cornelie Sonntag-Wolgast, SPD -Bundestagsabgeordnete und Fachfrau in Sachen Ausländer- und Asylrecht.

Ein - noch so verhaltenes - Aufstöhnen hat der Kanzlerkandidat in seiner Partei allerdings nicht hervorgerufen. Von der zuständigen stellvertretenden Vorsitzenden Herta Däubler-Gmelin gab es nicht einmal eine Stellungnahme. Und Wilfried Penner, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, mochte auch nicht in der Sache eine eindeutige Position beziehen: Wer das geltende Recht einschränken wolle, müsse wissen, daß er damit dem Asyl-Problem nur sehr bedingt beikommen könne; allerdings wolle er in der Frage Grundgesetzänderung „nicht Fronten aufmachen, die nachher nur schwer zu schließen sind“.

Im rechten Lager beobachtet man das Verhalten der SPD seit vergangenen Donnerstag sehr genau. Vom innenpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Faktion gab's schon am Samstag ein Angebot: Es sollten doch die Sozialdemokraten gemeinsam mit der Union den Grundgesetzartikel zum Recht auf Asyl ändern, forderte Johannes Gerster in Bonn. Vor allem zu Propagandazwecken mag sich der Innenpolitiker Gerster geäußert haben. Daß Oskar Lafontaine „die Grundlage für eine ernsthafte Zusammenarbeit in Sachen Grundgesetzänderung gelegt hat“, darüber freuen sich einige Unionsleute allerdings auch ehrlich. Sie wittern Morgenluft - „erstmals seit langer, langer Zeit“, wie es einer aus der CDU/CSU -Fraktion formuliert.

Bisher habe man alle Vorschläge zur Änderung des Artikels 16 in der Schublade verstauben lassen, denn „ohne die Zustimmung der SPD wär's ja eh nichts geworden“. Jetzt, nach den Äußerungen Lafontaines, sei die für eine Grundgesetzänderung notwendige Zweidrittelmerheit nicht mehr unvorstellbar, „also werden wir die Vorschläge wieder aus der Schublade holen und auf breiter Ebene vorlegen“, so ein CDU-Mann. Schon in der nächsten Woche will man in der Union darüber diskutieren, ob und wie ein Bündnis mit der SPD zu schmieden ist.

Die FDP wird dabei außen vor bleiben. „Wir Liberale sind nicht bereit, am Asylrecht unserer Verfassung herumzufummeln“, beschied am Montag der FDP-Innenpolitiker Hirsch. Beim Koalitionspartner erntet er dafür nur Schulterzucken: „Hauptsache“, so ein Mitglied der CDU/CSU -Fraktion, „wir verständigen uns mit den Sozialdemokraten. Und die sind in der Frage weniger rigoros als Herr Hirsch oder die Grünen.“