Weiter Wirbel um DDR-Finanzloch von zwanzig Milliarden Mark

■ Weder Dementi noch Bestätigung / Bonner Haushaltsexperten wollen abwarten und prüfen lassen / Unsichere Größen in der Schuldenprognose

Berlin (taz) - Die Löcher im Haushalt der DDR werden offenbar größer als bisher angenommen. Zeitungsberichte über ein Defizit von 20 Milliarden Mark noch in diesem Jahr wurden gestern weder in Bonn noch im Berliner Finanzministerium bestätigt. Jedoch gibt der Sprecher von DDR-Finanzminister Walter Romberg (SPD), Hans Neumann, zu, daß die bisher prognostizierten Schulden offensichtlich die 3,4 Milliarden Mark übersteigen, deren Begleichung Bonn zugesagt hatte. Eine unsichere Größe ist der Kostenfaktor Arbeitslosenversicherung. Die Rechner im DDR -Finanzministerium starren wie gebannt auf die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt und wissen derzeit nur: Mit den ursprünglich vorausgesagten 400.000 bis 450.000 Arbeitslosen ist es wohl nicht getan - Arbeitsmini sterin Regine Hildebrandt (SPD), schätzt die Zahl seit längerem auf rund 1,5 Millionen Arbeitslose. Neben den Kosten der Arbeitslosigkeit tun sich andere, möglicherweise milliardenschwere Posten auf - etwa bei der Krankenversicherung: Weil in der DDR bislang zuwenig eingezahlt worden sei, entstehe auch hier, nach ebenfalls unbestätigten Prognosen, ein Loch von rund vier Milliarden Mark. Aus eigener Kraft wird die DDR diese Lücken nicht auffüllen können. Die Steuereinnahmen gehen kontinuierlich nach unten. „Wenn es so weitergeht, daß der größere Teil des Umsatzes in der DDR mit Waren aus der BRD und West-Berlin stattfindet und der Anteil aus eigener Produktion niedrig ist“, befürchtet Rombergs Sprecher Neumann, „dann werden wir bei weitem nicht das an Mehrwertsteuer realisieren, was wir im Haushalt zugrunde gelegt haben.“ Der vorgelegte Haushalt werde bis zum Ende des Jahres keine Gültigkeit mehr haben. Romberg hofft, daß Bonn auch für die neuen Lücken aufkommt. Er beruft sich auf Artikel neun des Staatsvertrages, der Nachverhandlungen, bei veränderter Grundlage, zuläßt. Doch Bonn ziert sich und will noch einige Monate für genauere Prüfungen abwarten.

Das von Theo Waigel geführte Bonner Finanzministerium ist sich mit dem Vorsitzenden des Haushaltsausschussen, Rudi Walther, relativ einig. „Romberg hat doch bis zuletzt von 3,4 Milliarden erzählt“, sagte Walther der taz, „da können es doch jetzt nicht plötzlich 20 Milliarden sein.“ Der sozialdemokratische Haushaltsexperte will erst einmal konkrete Zahlen aus Berlin, „die in Bonn überprüft werden müßten“.

Axel Kintzinger