Gysi: Gemein - alle gegen die PDS

■ PDS-Chef nennt Wahlrechtsmodus „Manipulation“ / Fragliches Demokratieverständis / Moralische Unverschämtheit gegenüber kleineren Parteien, besonders den Bürgerbewegungen / Volksentscheid über militärischen Status der DDR

Berlin (taz) - In der Rolle des Betrogenen präsentierte sich PDS-Vorsitzender Gregor Gysi gestern vor der Presse. Anlaß war der von der Bonner Koalition vorgelegte Kompromiß für den Modus der gesamtdeutschen Wahlen. Den „Drahtziehern“ in Bonn, so hatte Gysi schon gestern früh im Hessischen Rundfunk losgelegt, gehe es mit ihrer „Wahlmanipulation“ nur darum, „den Einzug der PDS in ein gesamtdeutsches Parlament zu verhindern“. CDU/CSU und FDP hatten sich Dienstag abend darauf geeinigt, die Fünfprozentklausel für ein einheitliches Wahlgebiet anzuwenden und Listenverbindungen nicht miteinander konkurrierender Parteien zuzulassen. Gysi kritisierte sowohl die Sperrklausel als auch das „Huckepack -Verfahren“. Während das eine fragliches Demokratieverständis demonstrieren würde, sei das andere eine „einzige moralische Unverschämtheit“, vor allem gegenüber den kleineren Parteien der DDR - besonders den Bürgerbewegungen.

Mit der deutschen Einheit kämen zwölf Millionen Wähler hinzu, erklärte Gysi und begründete damit, daß bei einer Hürde von fünf Prozent Millionen Wählerstimmen ignoriert würden. Zum Beispiel gingen bei drei Parteien mit jeweils vier Prozent über zehn Millionen Stimmen verloren. Gysi erinnerte daran, daß keine andere westliche Demokratie, in der das Verhältniswahlrecht praktiziert werde, eine solch hohe Sperrklausel kenne.

Ein einheitliches Wahlgebiet noch vor der offiziellen Vereinigung beider deutscher Staaten verstoße gegen die Gesetze sowohl in der BRD als auch in der DDR, meinte Gysi und deutete an, daß seine Partei gerichtliche Schritte dagegen unternehmen könnte. Die PDS ist beim Bundesverfassungsgericht derzeit zwar noch nicht klageberechtigt, „aber das können ja auch andere tun“. Für die kommende Sondersitzung der Volkskammer zur Wahlrechtsfrage hat die PDS noch andere Anträge erarbeitet. So will sie einen Volksentscheid über den künftigen militärischen Status der DDR anstrengen. Der Volksentscheid, der nach dem Willen der PDS ebenso wie die DDR -Landtagswahlen am 14. Oktober stattfinden soll, bestünde, stimmt die Volkskammer dem zu, aus drei Punkten. Die DDR -Bürger sollen entscheiden, ob das Territorium ihres Landes in militärische Strukturen und Aktivitäten der Nato einbezogen werden soll, ob Nato-Truppen auf dem Gebiet der Noch-DDR stationiert werden sollen und ob nukleare, chemische oder andere Massenvernichtungswaffen nach Abzug der sowjetischen Truppen in der DDR stationiert werden sollen. Ein anderer PDS-Antrag soll das de Maiziere-Kabinett dazu verpflichten, Ausgleichszahlungen für die Reparationsleistungen der DDR nach 1945 von der BRD zu verlangen. Nach Gysis Angaben habe die DDR „entsprechend international anerkannten Berechnungen“ Reparationen in Höhe von 99,1 Milliarden Mark geleistet, die BRD hingegen nur in Höhe von 2,1 Milliarden Mark. „Nach Berechnungen von Experten“ schulde Westdeutschland der DDR 727 Milliarden Mark.

Sollte Bonn, was niemand annimmt, zahlen, will Gysi das Geld zur Strukturanpassung der DDR verwenden.

Axel Kintzinger