Vergangenheitsbewältigung auch für die BRD

■ Berliner Justizsenatorin Limbach schlägt Amnestie für überholte politische Straftatsbestände vor

INTERVIEW

taz: Mit ihrem Amnestievorschlag haben sie implizit gesagt, daß es am Vorabend der Vereinigung auch in der BRD ein Problem der Vergangenheitsbewältigung gibt? Oder ist das eine Überzeichnung?

Limbach: Nein, das ist keine Überzeichnung. Außerdem ist das Ende der Nachkriegszeit der geeignete Zeit, um der Opposition mit einer Geste der Versöhnung zu begegnen.

Sie haben den Vorschlag gemacht, ohne daß es gegenwärtig einen öffentlichen Druck gibt. Standen politisch moralische Überlegung im Vordergrund?

Solche grundsätzliche Überlegungen zur politischen Moral spielten natürlich ihre Rolle. Aber ich bin auch wiederholt von Geistlichen in unserer Stadt angesprochen worden, auch von Insassen des Berliner Strafvollzugs. Sie wissen auch, daß die SPD und auch die Berliner Koalition einigen dieser Straftatbestände, die ich zur Amnestie vorgeschlagen habe, kritisch gegenüber stehen. Im übrigen bin ich der Meinung: das ist ein Stück Aufklärungsarbeit, daß man aus Anlaß der deutschen Einigung leisten können sollte.

So, wie Sie den Versöhnungsgedanken hervorheben, kritisieren sie im Grunde auch, wie es mit der Vereinigung läuft und von welchen Themen sie beherrscht wird.

In der Tat, ich habe da durchaus meine Kritik, insbesondere an dem zeitdruck, durch den viele wichtige Themen ausgespart werden. Aber diese Kritik ist nicht der Hauptgesichtspunkt für die Amnestie.

Zu dem Amnestievorschlag: es fällt auf, daß sie - außer des Straftatbestandes der Werbung für eine terroristische Vereinigung - den Gedanken einer politischen Friedensstiftung, wie im Dialogversuch von Antje Vollmer, aussparen.

Um es Ihnen ganz offen zu sagen: ich habe hier im wesentlichen die Straftatbestände genannt, die mir in meiner Arbeit als Justizsenatorin begegnet sind. Ich meine da, daß es durchaus ein Ausdruck der inneren Souveränität des Staates wäre, wenn man hier Amnestie übt.

Der Dialogversuch setzte, um noch einmal darauf zurückzukommen, doch bei einer anderen politischen These an. Er ging von der Einsicht aus, daß der bewaffnete Kampf politisch am Ende ist und von einer Initiative der Gesellschaft und des Staates beendet werden muß.

Ich habe immer, auch damals im Zusammenhang mit dem Hungerstreik, vertreten, daß darüber diskutiert werden muß. Durch die Aufnahme des Straftatbestandes der Werbung für eine kriminelle Vereinigung in eine Amnestie kommt aber durchaus zum Ausdruck, daß Diskussionsbereitschaft besteht.

Gibt es schon eine Reaktion aus dem Bundesjustizministerium?

Bislang gibt es keine Reaktion; in der SPD habe ich allerdings viel Zustimmung erfahren.

Interview: Klaus Hartung