Eppelmann: NVA-Abrüstung im Prinzip beendet

■ Minister weist Aufrüstungsvorwürfe erbost zurück / Rüstungshaushalt der DDR im ersten Halbjahr 90 halbiert Ungleiche Behandlung für NVA-Soldaten in gesamtdeutscher Armee / CDU-Arbeitnehmer rügen Attacken gegen Eppelmann

Berlin (taz) - DDR-Abrüstungs- und Verteidigungsminister Rainer Eppelmann (DA) diktierte gestern seinen Bonner Kritikern ins Stammbuch: „Wir sind Europameister in Abrüstung.“ Entschieden wies er die Vorwürfe zurück, wonach die Nationale Volksarmee (NVA) durch die Abnahme sowjetischer Rüstungsgüter aufrüste. Den Stein des Anstoßes hatte FDP-Bildungsminister Jürgen Möllemann geworfen. Seine Behauptung, Eppelmann investiere in Rüstung statt in Bildung, hatte Anfang der Woche hohe Wellen geschlagen.

Der DDR-Verteidigungsminister verkündete gestern in Bonn, daß die 1989 einseitig beschlossenen Abrüstungsmaßnahmen der DDR „im Prinzip abgeschlossen sind“. So seien beispielsweise bis zum 20. Juli 331 Panzer „als Waffensysteme liquidiert“ und 50 Kampfflugzeuge des Typs MIG 21 verschrottet oder umgerüstet worden. Im ersten Halbjahr 1990, heißt es in einem Bericht des Ministerium für Abrüstung und Verteidigung, „wurden die Rüstungsausgaben um 4,1 Milliarden Mark der DDR reduziert, was 41 Prozent der Beschaffungskosten von 1989 ausmacht“. 50 Objekte und Geländeflächen der NVA seien bislang an friedfertige Nutzer übergeben worden, eine zivile Nutzung werde gegenwärtig für rund 110 weitere Objekte und Flächen vorbereitet. Darüber hinaus seien bis Ende Juni etwa 3.000 Tonnen Munition vernichtet, 187 Artilleriegeschütze verschrottet und Pionierausrüstung im Wert von 7,5 Millionen Mark verkauft worden.

Vor der Bundespressekonferenz in Bonn betonte Eppelmann weiter, daß es nach der Wende gelungen sei, Rüstungsaufträge im Wert von 2,8 Milliarden Mark zu stornieren. Übrig bleibe der Posten „Kampftechnik und Bewaffnung“, der mit 221 Millionen Mark vergleichsweise nur als „Restposten“ betrachten werden könne. Die Beschaffung dieser Kampftechnik beinhaltet unter anderem die Lieferung von zwei Küstenschutzschiffen und eines Kampfhubschraubers zu Ausbildungszwecken. Auch wenn man aus diesen langfristigen Verträgen herauskäme, so Eppelmann, hätte dies doch eine Vertragsstrafe zur Folge, die bis zur vollen Höhe der Beschaffungskosten ginge.

Minister Eppelmann traf gestern auf der Hardthöhe auch mit seinem Bonner Kollegen Stoltenberg zusammen - inoffiziell und zum Frühstücken. Angaben über den Gesprächsinhalt waren nicht zu bekommen. Neben der Anschuldigung „aufzurüsten“ dürfte es dabei vor allem um den zukünftigen Status der DDR -Soldaten in einer gesamtdeutschen Armee gegangen sein. Bundeswehrjuristen haben einen Entwurf erarbeitet, der die NVA-Angehörigen zu Soldaten zweiter Klasse degradieren soll, meldet dazu ergänzend 'ap‘. Das Papier würde nach Maßgabe des Staatsvertrages bedeuten, daß DDR-Soldaten zwar Soldaten der Bundeswehr würden, aber dennoch nicht unter das bundesdeutsche Soldatengesetz fallen. Sie sollen weiterhin nach NVA-Recht besoldet werden. Sie müßten alle Pflichten der Bundeswehr übernehmen, aber keine Rechte erhalten. Eppelmann, der nicht mehr für den Fortbestand zweier deutscher Armeen plädierte, ging gestern davon aus, daß 60.000 NVA-Männer übernomen werden müßten.

Kollegiale Schützenhilfe erhielt der DA-Chef jetzt vom Vorsitzenden der Arbeitnehmergruppe der Bonner CDU/CSU -Fraktion. Heribert Scharrenbroich rügte die „arrogante, besserwisserische und materialistische Art“, mit der Politiker wie Möllemann den DDR-Politiker „fertigmachen“ wollten. Nicht zu Unrecht wies er den FDP-Mann darauf hin, daß er sich in der Logik seiner Anschuldigungen „konsequenterweise für den sofortigen Stopp aller Planungen am Jäger 90 einsetzten“ müßte. Wer Eppelmann kritisiere, aber nicht gleichzeitig die Bonner Waffenbeschaffung aufs Korn nehme, sei unglaubwürdig und hätte lieber schweigen sollen.

Wolfgang Gast