Linker „Wahlverein“?

■ Gysi, Ebermann, Öko-Sozialistinnen und die Ost-Linke im Audimax der TU: An der „Linken Liste“ auf Berliner Ebene haarscharf vorbei diskutiert

West-Berlin. Parlamentarismusdebatten statt Berliner Bündnisdiskussion: Wer von der Podiumsdiskussion mit Thomas Ebermann und Gregor Gysi am Donnerstag abend Aufklärung über den Entwicklungsstand einer Wahlpartei „Linke Liste“ in der zukünftigen Hauptstadt erwartet hatte, wurde enttäuscht. Die mit mehreren hundert ZuhörerInnen besuchte Veranstaltung im Audimax der TU war schon lange geplant, das Programm wurde wie verabredet durchgezogen, man war von der „Listen„ -Gründung in Köln überrascht worden.

Klar wurde nur, daß nichts klar ist - einig war man sich nur darüber, daß die Zeit für Debatten und die Aufarbeitung der linken Vergangenheiten knapp ist. Wenn alle unter ein Dach sollen, „weil im ersten gesamtdeutschen Parlament auch SozialistInnen sitzen müssen“ (Till Meyer, PDS-Ini), muß wohl einiges an Widersprüchen ausgegrenzt werden. Soll es nur die schnelle Wahlplattform sein oder eine längere „Aufhebung des linken Kleingruppenwesens“ (Eberhard Mutscheller, Öko-Sozialist)? Ist der „historische Moment“ für die Einigung der Linken gekommen? Muß er schnell genutzt werden, auch mal ohne lange Analyse, „weil im Kampf jetzt keine Pause gemacht werden kann“ (Gysi)? Oder müssen Pariser Commune, Kriegskredite und die „Reintegration der Grünen in den bürgerlichen Staat“ (Ebermann) stets mitbedacht werden? Neues Parteiprojekt, bloße Arbeitsstrukturen oder Hunderte von kleinen „Aktionseinheiten“ (Ebermann)?

Von Radikaler Linker bis Unabhängiger Frauenverband durften der Reihe nach alle ihre Einschätzung der Situation der Linken abliefern. Wahlkampfstatements wechselten sich ab mit theoretischen Exkursen. Der wohl nur notgedrungen aufgenommene zweite Diskussionsteil „Feminismus“ wurde wieder mal nebenwiderspruchsmäßig abgehakt. Vergeblich versuchten die vier Podiumsfrauen Katrin Rohnstock, Marion Seelig, Maren Cronsnest und Renate Döhr „das Macho-Projekt Anschluß“ und seine auf den Schultern der Frauen ausgetragenen Folgen zu thematisieren. Mann reagierte mit der Quote.

Als Gysi dann bei den PDS-Knackpunkten Atom, Asyl, Hausbesetzungen, Innere Sicherheit und Nationales baldige Besserung gelobte, traten die beiden Politstars endgültig zum Schaukampf an. Vor „Legalismus“ und „Trade-Unionismus“ warnte Ebermann, Gysi beschwor entschuldigend die ersten positiven Erfahrungen mit Rundem Tisch und Zwischen -Volkskammer. „Parlament, ja oder nein?“ war die Frage - und davon hängt wohl auch die Gründung eines Wahlvereins „Linke Liste“ ab. Warten auf die nächste Diskussion. Aber die Zeit ist knapp.

kotte