Statt strotzender Eichen Baumskelette

■ „Wer hat dich, du schöner Wald...“ oder Wie ein Film verhindert wurde, DFF 1, 22.30 Uhr

Alles beginnt scheinheilig, mit einem harmonischen dejeuner sur l'herbe: Vier kräftige Waldarbeiter lagern, klassisch posiert, nach den Regeln des „goldenen Schnitts“ im sattgrünen Sauergras. Das zeigt der close-up. Die Totale aber weiß es besser und präsentiert anstelle der Eichen und Ulmen im strotzenden Sommerlaub - was ein derartig idylisches setting in der Kunsttradition verlangen würde den makabren Hintergrund von bleichen Baumskeletten. So ist bereits die erste Einstellung ein Schlag ins Gesicht all derer, die sich vom Titel haben irre leiten lassen: Hier wird nicht munter gezwitschert und gewandert nach Müllers Lust, nein, auch kein Loblied auf die sozialistische Umweltpolitik gesungen, sondern vielmehr gesägt, gefällt, gerettet, was vielleicht noch zu retten ist. Als dann der Soundtrack unsere vier „Statisten“ zum real-life erweckt, und sie matt von der düsteren Zukunft ihrer Gegend erzählen, versteht es sich von selbst, daß solch bittere Szenen machtlos wütender Ironie im Frühjahr 1989 die DDR-Zensur nicht überlebten.

Folgerichtig unterbricht Regisseur Günther Lippmann hier den Erzählfluß, Filmriß, und beginnt das Spielchen noch mal von vorne, jetzt in der staatlich autorisierten Version des Anfangs, also ohne die gespenstische Stille und auch ohne die vier Herren.

Zufall? Notwendigkeit? Nein, Lippmann wurde lediglich vom ehemals mühsamen Alltag vieler DEFA-Regisseure eingeholt und mußte schneiden, nachdrehen, sich unfreiwillig selbst kontrollieren. Daß er es sich nach dem neunten November nicht nehmen ließ, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen und dem Hauptthema seines Films noch ein Motiv hinzufügte, ist erfreulich: So wird aus dem endlosen, zensierten Material die hervorragende Studie einer möglichen Leidensgeschichte der Gattung „Dokfilm“ im alten SED -Regime.

Mit den legitimen Tricks seines Metiers unterlegt Lippmann die Berichterstattung über den Alleingang einer Gemeinde zur Erhaltung ihrer Umwelt mit einem Abriß über die Mechanismen der versuchten „Meinungslenkung“.

Nachdem die achte und letzte Fassung des Films über die unermüdlichen Rettungsmaßnahmen der BürgerInnen seitens der Zensur in die Schublade verbannt worden war, packt Lippmann jetzt aus und nennt energisch die Namen der Schuldigen. Eine solche Direktheit im Umgang mit den umweltpolitischen Fakten wäre auch andernorts wünschenswert.

Gaby Hartel