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PatientInnen operativ verstümmelt?

■ Leipziger Klinik Waldheim veranlaßte Röntgensterilisationen und Gehirneingriffe bei psychisch Kranken

Leipzig (taz) - Seit Wochen liegt dem DDR -Gesundheitsministerium der Bericht einer Untersuchungskomission vor, aus dem hervorgeht, daß auf Initiative der psychatrischen Klinik Waldheim bei Leipzig Röntgensterilisationen an Frauen vorgenommen wurden. Dies meldet 'Die Andere Zeitung‘ aus Leipzig ('DAZ‘) in ihrer heutigen Mittwochausgabe. Die Patientinnen, so das Blatt, seien seinerzeit auf Veranlassung des seit April beurlaubten Chefs der Klinik Waldheim, Dr. Poppe, in der radiologischen Klinik Karl-Marx-Stadt mit Hilfe von Röntgenstrahlen sterilisiert worden.

Zudem sollen in den vergangenen Jahren an psychisch Kranken aus Waldheim in der neurochirurgischen Universitätsklinik Leipzig mehrfach sogenannte stereotaktische Eingriffe vorgenommen worden sein. Dabei seien Teile des Gehirngewebes entfernt worden, um die Psyche der PatientInnen zu beeinflusssen. Die Stereotaxie bei PsychatriepatientInnen ist in der Bundesrepublik bereits seit den fünfziger Jahren nicht mehr üblich.

Nach Recherchen der 'DAZ‘ haben Chirurgen der Leipziger Universitätsklinik derartige Operationen bestätigt, ohne allerdings weitere Einzelheiten zu nennen.

Sonja Schröter, die Mitglied der Untersuchungskommission ist, wurden von einem Klinikmitarbeiter zehn Personen namentlich genannt, an denen nachweislich solche Operationen durchgeführt wurden.

Der 'DAZ‘ zufolge, die über den Untersuchungsbericht im Wortlaut verfügt, war der Waldheimer Klinikchef Dr. Poppe bislang zu keiner Aussage bereit. Der Untersuchungsbericht empfiehlt, daß eine Sonderkommission zu bilden sei, die sich noch einmal im Detail mit den Vorfällen befassen soll.

Auf Anfrage erklärte der Sprecher des Gesundheitsministeriums, Günther Horn, gegenüber der taz, die Untersuchungen seien „noch nicht komplett und ein Gesamtabschlußbericht liegt daher noch nicht vor“. Über den Inhalt vorläufiger Erkenntnisse wollte sich Ministeriumssprecher Horn nicht äußern. Einen offiziellen Abschlußbericht erwartet der Sprecher „vielleicht nächste Woche“.

Die Untersuchungskommision des Gesundheitsministeriums war gebildet worden, nachdem das Hamburger Magazin 'Stern‘ im Frühjahr über äußerst schlimme Zustände in der psychatrischen Klinik Waldheim ausführlich berichtet hatte.

asw

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