Hören, Vergessen

■ “...Hören, Erinnern...“, zum Hörspiel von Joy Markert am Dienstag / Regie: G.Willert

Hören ist Erinnern. Das war einer der ersten Sätze in dem siebzig Minuten langen Hörspiel, das ich eben gehört habe. Aber was habe ich gehört? Woran erinnere ich mich? An ein Bild gleich am Anfang, eine Puppe in der Puppe: Man hört zu und doch nicht, weil das Gehörte einen an etwas Früheres erinnert.

Sagte ich Bild? Darum ging es auch, um Sehen und Hören. Die Geschichte einer Katze. Auf der Straße passiert irgend etwas, Geräusche, Quietschen. Der Mann läuft ans Fenster, er muß sehen, was er hört. Die Katze spitzt die Ohren. Wir hören nicht besonders gut. Aber wir sehen ja auch nicht recht. So oder ähnlich ein Bonmot von Ellen. Fabian und Ellen, das Liebespaar im Hörspiel. Sie nähern sich dem Phänomen Hören, theoretisierend, in alltäg

lichen Situationen, miteinander redend, aneinander vorbeihörend. Sie besuchen eine alte Bildhauerin, die schon lange nichts mehr produziert, um mit ihr über Sehen und Hören zu reden.

Fabian. Er beginnt mit dem Erzählen (s)einer Geschichte: wie er Ellen kennenlernte, jedenfalls, wie es in seiner Erinnerung war, wie die Geschichte weitergeht. Das ist der eine Erzählstrang, unterbrochen durch zwei andere Erinnerungsketten.

Da sind einmal die Dialoge, Spielszenen: Ellen und Fabian, im Museum, im Wald, auf dem Schiff, auf der Straße; Ellen, Fabian und die Bildhauerin. Gespräche über Sehen und Hören. Kindheitserinnerungen. Erinnerte theoretische Zitate. Und dann ist da noch das andere Erinnern, eine Mischung aus Traum, Phantasie,

Realität, Verschiebungen, disparate Partikel, erinnert teils von Fabian, teils von Ellen.

Als Hintergrund dieser inneren Erinnerung sind manchmal die erinnerten Geräusche zu hören, Lachen, Zanken, Liebesspiel im Wald, Verstummen. Drei akustische Erinnerungsräume. Musik hüllt dabei die erzählende Erinnerung und die innere Erinnerung ein: ein akustisches Signal für das Ohr des Hörers. Das Signal kommt im Kopf an: aber da öffnet sich kein Raum. Ich bleibe, wo ich bin.

Die Räume: eher wie Skizzen auf einem Aufriß, nur gezeichnet; ihnen fehlt die Tiefe des Raumes, sie sind nicht begehbar, nicht fühlbar. Kopfräume. So aber sind auch die Dialoge: Kein hörbarer Wechsel von der Distanz zur Nähe, zur unmittelbaren Präsenz,

gerade so, als würde die erinnernde Erzählung nun mit zwei Stimmen fortgesetzt, als sprächen die Sprecher nicht miteinander, sondern nacheinander. Und so höre ich immer weniger die verschiedenen Schichten des Erinnerns, sie schieben sich nicht ineinander, übereinander zu einem Hörbild.

Sie gehen mir zuhörend verloren, einzig ein paar Brocken, die sich eher sinnlos festsetzen, die riesigen Köpfe auf den Osterinseln, irgendwie kamen auch die Galapagos vor und das Allgäu, auch Worpswede und seine Kunst, Zitate von der heiligen Katharina von Bingen. Aber was sollte all dies disparate Zeugs? Erinnerungssplitter, die sich in mir zu keiner Erinnerung fügen. Hören, Vergessen. Christine Spies