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„Ich habe mich auch schon heiser geschrien!“

■ Polizeihauptkommissar Eisenach zum Hertha-Spiel

INTERVIEW

Spandau. Wahrscheinlich werden heute abend 35.000 Zuschauer Hertha-BSC- und St.-Pauli-Spielern auf die Beine gucken. Der Hertha-Verein will neben scharfen Auflagen mit 330 Ordnern, die Polizei mit 400 Beamten (davon 50 im Verkehrsbereich) für „Sicherheit und Ordnung“ sorgen. Polizeihauptkommissar Harald Eisenach wird die Befehlsstelle leiten.

taz: Die erste Bundesligasaison nach Maueröffnung beginnt. Bekommt jetzt die Polizei mehr Arbeit, weil sich Jugendliche aus der DDR mit Berliner Fans kloppen wollen?

Harald Eisenach: In Berlin zeigt sich eine neue Tendenz. Und die soll überwiegend - sagt man - „gegen rechts“ gehen. Da hat es in der Vergangenheit ja schon in Ost-Berlin erhebliche Ausschreitungen gegeben - gerade nach Spielen. Aber es wird auch gegen Ausländer vorgegangen. Die Arbeit für uns wird sicherlich mehr.

Erwarten Sie heute Krawall?

Ich persönlich nicht. Aber hier ist auch der Verein gefordert, einen Beitrag zu leisten. Der muß sich mal um seine Fans kümmern, sie im Stadion, aber auch außerhalb der Spieltage betreuen.

Massiv Polizei im Stadion. Finden Sie das sinnvoll?

Finde ich gar nicht sinnvoll. Unser Bestreben für die diesjährige Saison geht dahin, die Anzahl der Polizeibeamten zu reduzieren. Im Olympiastadion werden Sie auch keinen Beamten im Innenbereich sehen.

Was, glauben Sie, steckt hinter dem Drang nach Randale?

Was immer angeführt wird, ist ein gewisser Frust. Daß man sich abreagieren muß. Daß Leute, die laut schreien, was rauslassen müssen. In der Masse fühlt sich der einzelne stark. Da ist auch die Arbeitslosigkeit und wenig Abwechslung.

Die eingesetzten Beamten werden heute nicht in ihren Einsatzanzügen, die immer ein wenig martialisch aussehen, herumlaufen. Eine erste Abrüstung?

Nein. Unsere Maßnahmen sind einfach auch mit dem normalen Dienstanzug machbar.

Wenn Sie nicht Dienst haben, gehen Sie auch mal als Zuschauer zu Spielen?

Ich bin, sagen wir mal, ein „kleiner“ Fußballfan.

Und wie kommen Sie mit den vielen Sicherheitsauflagen im Stadion zurecht?

Ich habe mir letztens bei uns im Norden ein Aufstiegsspiel ansehen wollen, da konnte ich zu Fuß hingehen. An einer Imbißbude gab's Bier - alkoholfrei. Schön‘ Dank, auf Wiedersehen, trinke ich nicht, habe ich mir gesagt. Zum Fußball - das ist meine Version als Bürger - gehört ein Bier dazu. Zum Fußball gehört auch kein steifer Zuschauer dazu. Da muß man mitgehen, da schreit man mal. Von einem Spiel bin ich schon mal heiser nach Hause gekommen. Aber Störenfriede bei Fußballspielen brauchen wir nicht.

Das Gespräch führte Dirk Wildt

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