Ramba

■ Neu im City 1: NIKITA, von Luc Besson / Lustig ist das Agentinnenleben und verwandt seinen Bluts-Brüdern

Die Emanzipation der Frau treibt seltsame Blüten jedenfalls auf der Kinoleinwand. Die cineastische Gleichberechtigung geht mittlerweile so weit, daß sich die Frauen so hart, erbarmungslos und brutal gerieren, wie ihre männlichen Rambo-Kollegen. Frauen sehen jetzt auch rot, sie sind die Killermaschinen, ohne Gnade.

Nach den Hollywood-Massakern Blue Steel und Impulse darf nun Monsieur Luc Besson mit Nikita zeigen, wozu das vermeintlich schwache Geschlecht in der Lage ist, greulich aufbereitete Kopfschüsse und Massenerschießungen eingeschlossen. Die Geschichte ist so unglaubwürdig, wie sie spannend ist. „Haben Sie schon einmal mit einer Waffe geschossen?“, wird die junge Nikita (Anne Parilaud) von einem französischen Regierungsbeamten gefragt, während sie auf einem Schießstand ihr Können beweist. „Nicht auf Pappe“, antwortet sie kühl, „nur auf Menschen“.

Diese Fähigkeit beweist die schlanke, dunkelhaarige Frau gleich zu Beginn. Die offensichtlich drogenabhängige Psychopathin ballert sich ultra-brutal durch einen Überfall und tötet aus nächster Nähe einen Polizisten. Die lottrige Göre wird gefangen genommen und anstatt in der „Allee 8, Parzelle 30“ auf dem Friedhof zu landen, kann sie sich für einen Killerjob bei der „Regierung“ entscheiden.

Mal angenommen, bei dieser „Regierung“ handelt es sich um die derzeitige französische, hält Regisseur Besson sie offenbar für ein Mörder-Regime. Die renitente Nikita wird systematisch zur Tötungsmaschine ausgebildet, wobei die in einer Nebenrolle wirkende Jeanne Moreau sie „von einem häßlichen Kleiderständer“ zu einer femme fatale ummodelliert.

Lustig ist das Agentenleben. Nikita beißt ihrem Judolehrer fast das Ohr ab, und bei ihrem ersten Auftrag verwandelt sie eine exklusive Restaurant-Küche in einen bluttriefenden Schlachthof. Daß sie dabei hinreißend aussieht in ihren schwarzen Nylons und dem hautengen Rock, versteht sich von selbst.

Damit das Kinopublikum nicht in einen Blutrausch verfällt, muß sich das schizophrene Mandelauge in einen Supermarkt -Kassierer verlieben - zum Atemholen. Besson (Subway, Im Rausch der Tiefe) hat Nikita kühl und steril gefilmt, blaue und stahlgraue Farben beherrschen die Szenerie. Nur in Nikitas Refugium, ihrer Wohnung, badet die Kamera in warmen Brauntönen. Doch die symbiotische Verwandlung vom burschikosen Teenager in die eiskae Agentin und wieder zurück bleibt diffus. Wie macht sie das nur, ohne seelische Probleme zu bekommen? Da hilft auch nicht der atmosphärisch dichte Soundtrack weiter, der den jeweiligen Charakter von Nikita unterstreichen soll und in spannenden Sequenzen für ein Mehr an Grusel sorgt.

Am gruseligsten ist die Abschußszene aus einem venezianischen Hotelbadezimmer: Vor der Tür wartet der Liebste, während Nikita mit dem Gewehr im Anschlag nach ihrem Opfer draußen sucht.

Jedenfalls: Nach 17 bestialischen Morden habe ich aufgehört zu zählen. Und beim Säuremord habe ich gar nicht erst hingeschaut.

Jürgen Francke