piwik no script img

Weiß-blaue Botschaft im Rotlicht

■ Kebab statt Weißwurst: Der Freistaat Bayern hat Büros an der Potse angemietet

München/Berlin. Bayern sind konsequent: Kaum haben sie bitter akzeptieren müssen, daß es nach dem geliebten Kini Ludwig II. nun auch Nationalhofnarr Sedlmayr („Ein Mann wie Bayern“) mehr nach scharfen Knaben, Peitschen und Rotlicht gelüstete als nach Brezeln, Weißwurst und Rosenkranz - da tritt das CSU-Regime mit dem neuen Bayernimage schon die Flucht nach vorne an: Wie 'dpa' gestern meldete, hat der Freistaat ausgerechnet in der Potsdamer Straße nun Räume für eine bayerische Gesandtschaft angemietet. Irgendwo zwischen Sexshops, Puffs und Spielhallen. Sauber!

Wenn nun nicht der mächtige Erzbischof von München und Freising zum Waigel-Streibl rennt oder der Heilige Stuhl selbst einen Bann über den anrüchigen Mietsvertrag ausspricht - dann wird wahr, was die taz berlin schon am 31. Juli vorhersah: eine bayerische Landesvertretung in einer künftigen Hauptstadt Berlin, ausgesetzt dem „Druck des Straßenmobs von links wie rechts“ (O-Ton Ministerpräsident Streibl).

So will's der Herr Ministerpräsident allerdings noch nicht verstanden wissen. Sein Staatsministerium für Bundes- und Europa-Angelegenheiten verlautete dazu, man habe damit keineswegs Berlin als Hauptstadt anerkannt, und eine echte „Landesvertretung“ sei das neue Domizil schon gar nicht.

Ja, schon, Herr Ministerpräsident. Aber muß nun - nur weil der Sedlmayr...- muß die Mission also wirklich gleich in Peepshow-Nähe stehen? Die taz berlin hatte dem Strauß -Erben doch ausdrücklich die von ihm geschmähte „Hauptstadt Kreuzberg“ für seine Botschaft ans Herz gelegt. Falls dem CSU-Staat dort der Sicherheitsaufwand zur Abschirmung marodierenden Straßenmobs zu teuer ist, bietet auch ein Rückgriff auf Wittelsbacher Tradition keinen Ausweg: Die königlich-bayerische Gesandtschaft wurde 1889 an der Voßstraße 3 eröffnet und 1933 dem Erdboden gleichgemacht, um für des Führers Reichskanzlei Platz zu machen. Daraufhin zog man in die Uhlandstraße, wo der letzte Staats-Bayer erst 1950 die Preußen-Diplomatie einstellte.

tom

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen