piwik no script img

Liberalen-Hochzeit in Hannover

■ Die Ost-Liberalen bringen doppelt soviele Mitglieder, die West-FDP stellt die Delegiertenmehrheit / Graf Lambsdorff bleibt Vorsitzender und bekommt zwei Ost-Stellvertreter

Berlin (taz) -Die FDP spielt die Vorreiterin im Parteienvereinigungsreigen dieses Herbstes. Als erste westdeutsche Partei wird sie am Wochenende auf ihrem Parteitag in Hanover mit ihren Bündnispartnern aus der DDR fusionieren. Unter Dach und Namen „FDP - die Liberalen“ werden sich dann neben der West-FDP der Bund Freier Demokraten (BFD), die Ost-FDP und die Deutsche Forumpartei wiederfinden.

Die Fusion scheint für die FDP ein gelungener Deal zu sein: Während die West-FDP nur 68.000 zahlende Anhänger hat, sind es bei den Ost-Liberalen 138.000. Den Mammutanteil stellt der BFD, ein Zusammenschluß der ehemaligen Blockparteien LDPD und NDPD. Sie bringen - für die Etablierung der FDP in den Ländern der DDR ungemein günstig - zwei funktionierende Parteiorganisationen mit. Die Deutsche Forumpartei und FDP hingegen spielen als Neugründungen des Herbstes eher die Feigenblattrolle. Mit zusammen ungefähr 2.500 Mitgliedern sollen sie den unangenehmen Beigeschmack, die FDP profitiere bei der Fusion von SED-treuen Blockparteien, etwas abmildern.

Bereits in den Vorverhandlungen wurden die Weichen dafür gestellt, daß die West-Partei in Hannover den dominanten Part spielen wird. Hebel hierfür war der Delegiertenschlüssel. Das zu lösende Problem bestand darin, daß die Ost-Partner, gemessen an ihren Mitgliederzahlen, den Hauptanteil der Delegierten nach Hannover entsendet hätten. Für ein westliches, kalkulierbares Parteitagsmanagement hätte das ein gewichtiges Risiko bedeutet. Eine Lösung war schnell gefunden: Nicht die Mitgliederzahlen, sondern die Wählerstimmen wurden bei der Berechnung für den Delegiertenproporz zugrunde gelegt. So entsenden die Ost -Parteien nur 260 der 662 Vertreter nach Hannover.

Die Wiederwahl von Graf Lambsdorff gilt als sicher. Neben Gerhard Baum, Irmgard Adam-Schwaetzer und Wolfgang Gerhard sollen auch der BFD-Chef Rainer Ortleb und der Ost-FDP -Vorsitzende Bruno Menzel zu Lambsdorff-Stellvertretern gewählt werden.

Inhaltliche Aussagen, die Aufschluß über mögliche programmatische Veränderungen einer gesamtdeutschen FDP Aufschluß geben könnten, werden vom anstehenden Parteitag nicht erwartet. Ob die wirtschaftsliberale Orientierung der West-Partei bruchlos übertragen werden soll oder ob sich die FDP doch unter dem Eindruck der marktwirtschaftlichen Folgekosten in der DDR zu Anleihen aus ihrem sozialliberalen Traditionsbestand genötigt sieht, wird erst der Programmparteitag Ende September zeigen.

Vielleicht können am Ende die liberal geläuterten Ost -Schwestern außer Geld, Organisation und Mitgliederkartei ja doch ein paar Inhalte beisteuern.

eis

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen