Tod im Exil

■ Zur Erinnerung an den Saxophonisten Dudu Pukwana

Warum hat es ihn getroffen, warum nicht mich?“, war die spontane Reaktion Dudu Pukwanas auf die Nachricht vom Tod seines Landsmannes und Kollegen Chris McGregor. Ihre Zusammenarbeit, die vor 28 Jahren in Johannesburg begann, wurde nicht zu Unrecht des öfteren mit dem Team Duke Ellington/ Johnny Hodges verglichen: McGregor, Pianist und wichtigster weißer Jazzmusiker Südafrikas, schrieb in bester Ellington-Tradition den Musikern seines Allstar-Orchestes maßgeschneiderte Stücke auf den Leib, und Pukwana, jahrelang brillantester Solist der Big Band, stand hinsichtlich improvisatorischen Einfallsreichtums und klanglicher Vielfalt auf dem Altsax dem Genie eines Johnny Hodges kaum nach. Am 30.Juni, nur fünf Wochen nach Chris McGregors Tod, der Dudu Pukwanas ohnehin desolaten Gesundheitszustand spürbar beeinträchtigte, starb der Saxophonist aus Port Elizabeth 52jährig im Londoner Exil.

Begonnen hatte er seine Karriere als Pianist und Begleiter von Vokalgruppen wie den heute legendären „Manhattan Brothers“. Später wechselte er zum Tenor-, dann zum Altsaxophon über. Mit seiner Band „The Jazz Giants“ trat er 1962 beim Jazzfestival von Johannesburg auf und wurde zum Saxophonisten des Jahres gekürt. Kurz darauf wurde er Mitglied von Chris McGregors Gruppe „The Blue Notes“, die mit ihrem afrikanisch gefärbten Bebop-Konzept sofort zur führenden Jazzformation Südafrikas aufstiegen.

Da die Band jedoch gemischtrassig war, ließen Schikanen verschiedenster Art nicht lange auf sich warten. Eine auf Empfehlung von Collar Brand (Abdullah Ibrahim) zustandegekommene Einladung zum französischen Antibes Festival bot schließlich die Möglichkeit zur Emigration; und so verließen Pukwana und McGregor mit ihren Kollegen Mongezi Feza (Trompete), Nick Moyake (Tenorsaxophon), Johnny Dyani (Baß) und Louis Moholo (Schlagzeug) 1964 ihre Heimat in Richtung Europa. Moyake hielt es im Exil nicht lange aus; er ging zurück nach Südafrika, wo er wenig später starb. Die anderen ließen sich in London bzw. Stockholm (Dyani) und Südfrankreich (McGregor) nieder. Trotzdem blieben die „Blue Notes“ bestehen und bildeten in der Folgezeit den Kern von McGregors Big Band „The Brotherhood of Breath“, der im Laufe der Jahre neben Südafrikanern auch diverse Vertreter der ersten Garnitur des europäischen Jazz angehörten.

Wichtigster Komponist und Arrangeur für die Big Band war, abgesehen vom Leiter, Dudu Pukwana, der daneben auch zahlreiche andere Projekte verfolgte. Ob es sich nun um volksmusikalisch angelegte Gruppen handelte, um Mainstream -Jazz, Funk oder freie Improvisationen - nichts kümmerte ihn weniger als musikalische Schubläden, solange das Ergebnis „enjoyable music“ war. 1969 gründete er die Kwela-Band „Spear“, mit der er eine triumphale Südafrika-Tournee absolvierte (es sollte das letzte Mal sein, daß er seine Heimat sah). Anschließend arbeitete er in den USA mit Hugh Masekela in der Gruppe „African Explosion“ des Posaunisten Jonas Gwangwa und erregte unter anderem die Aufmerksamkeit von Miles Davis. Wieder zurück in Europa, waren vor allem Free Jazz-Musiker wie Keith Tippet, John Surman oder Han Bennink seine Partner. 1977 nahm er am internationalen Festival schwarzer Kultur in Lagos/Nigeria teil und gründete im Jahr darauf die Band, mit der er fortan vorwiegend arbeitete: „Zila“ („Wir sind hier!“), eine Formation, die auf originelle Weise südafrikanische Township-Musik mit Jazz, Rock, Funk etc. fusionierte und auf Jazz- und Weltmusikfestivals für Furore sorgte. Die letzte Platte mit den „Blue Notes“ spielte Pukwana 1987 ein, aus traurigem Anlaß: Bassist Johnny Dyani war beim Westberliner Jazzfest 1986 in seiner Garderobe einem Herzanfall erlegen. Für ihn nahmen Pukwana, McGregor und Moholo die LP Blue Notes for Johnny auf. Bereits 1975 war mit Mongezi Feza ein Mitglied der Gruppe im Exil gestorben, ihm hatte der Rest der Band das Doppelalbum Blue Notes for Mongezi gewidmet. Zu einem gemeinsamen Tribut an Chris McGregor blieb für Dudu Pukwana und Louis Moholo jedoch keine Gelegenheit mehr, zu schnell schlug der Tod erneut zu.

Man kann nicht sagen, daß er überraschend kam. Dudus Lebensweise war alles andere als gesundheitsförderlich gewesen. Speziell sein extrem hoher Alkoholkonsum, sicher auch durch die psychischen Probleme des langjährigen Exils bedingt, machte ihn außerdem zu einem reichlich schwierigen Charakter. Musikern und Konzertorganisatoren konnte die Zusammenarbeit mit ihm den letzten Nerv kosten, mehr als einmal setzte er seinen Auftritt völlig in den Sand.

Und trotzdem - daß kaum jemand wirklich mit ihm brach, daß er immer wieder engagiert wurde (unter anderem auch für das Großkonzert, das am Ostermontag in Anwesenheit von Nelson Mandela über die Bühne ging), zeugt von der künstlerischen Kraft, die Dudus Kompositionen und Arrangements innewohnte, von dem bewegenden Aufschrei des Protestes gegen die massive Unterdrückung von Kreativität durch die Apartheid, der sich diesem immer leicht verstimmt wirkenden Altsaxophon entrang.

Nun wird es nur noch auf Dudu Pukwanas zahlreichen Schallplatten zu hören sein, von denen die letzte demnächst erscheinen wird.

Lala Ngoxolo. Hamba kahle, Dudu

Wolfgang König